LESERINNENBRIEFE
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Verschleiern der wirklichen Situation

■ betr.: „Arbeitslosenzahl sinkt unter 3 Millionen“, taz vom 28. 10. 10

Bundesarbeitsministerin von der Leyen versteht es, sich medienwirksam in Szene zu setzen, um sich als mögliche Merkel-Nachfolgerin in Stellung zu bringen. Deshalb hatte sie die frohe Botschaft, das Durchbrechen der Schallmauer von 3 Millionen Arbeitslosen in Deutschland, gegen alle Absprachen vorzeitig und allein verkündet. Gott sei Dank wurde ihre „One-Woman-Show“ durch den Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ad absurdum geführt. Schließlich kämen zu den knapp 3 Millionen Arbeitslosen noch einmal mindestens 1,4 Millionen arbeitssuchende Menschen hinzu, die sich derzeit in Umschulung, Fortbildung und Rehabilitation befänden. Damit kommen wir locker über die 5-Millionen-Grenze, weil auch noch die Hartz-IV-Empfänger in der besagten Statistik fehlen, welche sich als „Ein-Euro-Jobber“ verdingen und daher als nicht arbeitslos gelten. Können wir da überhaupt von einem Erfolg bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit sprechen? Es wurden zwar nach der Finanz- und Wirtschaftskrise in großem Stil Arbeitslose in Arbeit vermittelt, dies aber hauptsächlich in Leiharbeit, zu Dumpinglöhnen und mit Hartz-IV-Aufstockung. Wer da wie „Mr. Wirtschaftswachstum Rainer Brüderle“ den totalen Erfolg propagiert, der verschleiert bewusst die wirkliche Situation auf dem Arbeitsmarkt. ROLAND KLOSE, Bad Fredeburg

Islamausgrenzung

■ betr.: „Hau den Muslim!“, taz vom 20. 10. 10

Wenn’s doch endlich mal um Feinheiten zum Ausklamüsern ginge! Aber die Debatte kommt seit Jahren nicht über das allerniedrigste Niveau der Grobschlächtigkeit hinaus. Wie stellen sich Leute, die den Islam aus Deutschland ausgrenzen wollen, denn Integration vor, die sie doch ständig fordern, und was stellen sie sich für Deutsche, die zum Islam konvertieren, vor, müssen die dann ausgegrenzt werden und am besten gleich Asyl in Saudi-Arabien beantragen?

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Durchgepeitscht

■ betr.: „Atomausstieg unter Protest gekippt“, taz vom 29. 10. 10

Wie kann man nur ein so wichtiges Gesetz so durchpeitschen? Was nützt ein Energiekonzept, das man praktisch nicht umsetzen kann? Mit den angekündigten Aktionen, Normenkontrollklagen, Kartellbeschwerden und den Klageverfahren bei den Verwaltungsgerichten wird doch das Vorhaben de facto blockiert! Welcher Investor wird da noch Geld auf die hohe Kante legen, bei so unsicheren Rahmenbedingungen. Nein, damit hat man sich nichts Gutes angetan. CHRISTIAN LUKNER, Bonn

Hochgradig populistisch

■ betr.: „Der erfolgreiche Demonstrant“, tazzwei vom 26. 10. 10

Es geht bei den genannten Tierarten nicht ausschließlich um deren Schutz. Sie sind vielmehr Indikatoren für die Existenz (einigermaßen) intakter Lebensräume, und die müssen geschützt werden – mit allem, was darin lebt. Die Gesamtzahl dieser Lebensräume ist auch unser Lebensraum. Also dient die Erhaltung solcher Gebiete letztlich auch dem Menschen. Dem behaupteten Vorteil einer Autobahn mitten durch eine noch intakte Mittelgebirgslandschaft steht die ziemlich sicher kommende Klimakatastrophe gegenüber.

Schon deshalb sind die Posch-Äußerungen vom verlorenen Augenmaß und die „Stückkosten“ von 10.000 Euro pro Kammmolch hochgradig populistisch und verantwortungslos. Tatsächliche Nutznießer des Autobahnbaus sind Poschs Auftraggeber, die Bau- und Transportindustrie. WOLFGANG EHLE, Helsa

Arbeiten bis zur Erschöpfung

■ betr.: „Wirtschaft ohne Spendierhosen“, taz vom 26. 10. 10

Während FDP-Minister Brüderle eine kräftige Lohnerhöhung für alle Bürger forderte, legt nun die Wirtschaft mit einer extremen Forderung nach: Die 45-Stunden-Woche wird für unumgänglich gehalten. Nun sollen also die Arbeitnehmer den Fachkräftemangel ausbaden, den die Wirtschaft durch falsche Ausbildungspraxis und mangelnde Qualifizierungsmaßnahmen erst verursacht hat. Rechtzeitig vor den nächsten Tarifverhandlungen steht nun eine Wirtschaftsforderung im Raum, die darauf hinauslaufen wird, dass die Arbeitnehmer zwar mehr Geld bekommen werden, dafür aber ihre Wochenarbeitszeit stetig ansteigen wird. Da schon jetzt ein Großteil der Arbeitnehmer unter der sich immer mehr verdichtenden Arbeit leidet, werden die Krankheitsausfälle und Burn-out-Syndrome zunehmen und sich in steigenden Gesundheitskosten bemerkbar machen. Fleißige, bis zur Erschöpfung arbeitende Bürger kommen dann auch nicht mehr auf „dumme Gedanken“, wenn sie sich heute noch in Aktionsbündnissen oder politischen Gruppen zusammenrotten und gegen Großprojekte und Ungerechtigkeiten demonstrieren. THOMAS HENSCHKE, Berlin