Öko-Agrarreform floppt

NATUR Die neue EU-Landwirtschaftspolitik soll ökologischer sein. Doch deutsche Bauern könnten so umweltschädlich arbeiten wie bisher, urteilt Bundesforschungsinstitut

Wäre Chemie auf manchen Äckern verboten, würde die Artenvielfalt steigen

VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Die EU-Agrarreform wird in Deutschland ihr wichtigstes Ziel verfehlen: Die Vielfalt von Pflanzen und Tieren wird – wenn überhaupt – nur minimal steigen, prognostiziert das bundeseigene Thünen-Forschungsinstitut in einer Stellungnahme für den Bundestag. Die Wissenschaftler rechnen auch nur mit „marginalen positiven Auswirkungen“ auf den Klimaschutz.

Dabei behauptet EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos regelmäßig, dass wegen der Reform die jährlich rund 58 Milliarden Euro Subventionen für die Branche ökologischer verteilt würden. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen sind die Bauern hauptverantwortlich dafür, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Zudem verursachen die Landwirte dem Umweltbundesamt zufolge 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland.

Zwar hat die EU beschlossen, dass die Bauern für 30 Prozent der wichtigsten Subventionsart – der Direktzahlungen – ab 2015 je nach Betriebsgröße mindestens zwei bis drei verschiedene Fruchtarten anbauen müssen. Zudem wird weitgehend verboten, die besonders artenreichen und klimawichtigen Wiesen und Weiden in Ackerland umzuwandeln. Doch das wird nach Einschätzung der Thünen-Experten keinen Fortschritt bringen: „Die meisten der landwirtschaftlichen Betriebe halten bereits jetzt die Vorgaben“ ein, schreiben die Wissenschaftler.

Neu sei für diese Höfe nur die Auflage, 5 Prozent ihrer Fläche „im Umweltinteresse“ zu nutzen. Aber dafür können sich die Betriebe zum Beispiel Brachen, Äcker mit Hülsenfrüchten und Bäume anerkennen lassen – von denen die deutsche Landwirtschaft laut Thünen-Institut schon jetzt mehr als die geforderten 5 Prozent hat. Der Mehrwert der Reform für die Umwelt ist also gleich null.

„Nennenswerte“ positive Effekte für die Artenvielfalt seien dagegen zu erwarten, wenn auf den Umwelt-Flächen auf Pestizide und Dünger „weitestgehend verzichtet wird“, erklären die Wissenschaftler. Deutschland könnte das in seinen Vorschriften zur Umsetzung der EU-Reform festlegen. Aber das CSU-geführte Agrarministerium hat bereits angekündigt, Chemie solle nicht verboten werden.

Die EU-Kommission teilte auf taz-Anfrage mit, die Reform sei „ein Schritt nach vorn“. Sie werde „massenhafte Folgen in Hinblick auf die Artenvielfalt und den Kampf gegen den Klimawandel in ganz Europa haben“, erklärte Behördensprecher Roger Waite. „Manche wären gern weiter gegangen, und der ursprüngliche Vorschlag der Kommission ging auch weiter als die endgültige Einigung in einigen Punkten.“ Aber die Behörde habe Kompromisse eingehen müssen, weil erstmals bei einer Agrarreform sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der EU-Staaten mit entschieden hätten.