Schünemann im Glück

Der Zufall spielt Niedersachsens Innenminister in die Hände: Wie der CDU-Hardliner die Festnahme des mutmaßlichen al-Quaida-Unterstützers in der Nähe von Osnabrück politisch ausschlachtet

von KAI SCHÖNEBERG

„Polizeireform gelungen – Aufklärungsquote gestiegen – niedersächsische Polizei gut aufgestellt“, hieß der Antrag, den CDU und FDP gestern im Landtag in Hannover beschließen wollten. Das sei ja „abenteuerlich“ und „an Peinlichkeit nicht zu überbieten“, befand der SPD-Innenexperte Heiner Bartling in einer hitzigen Debatte, in der es um überlastete Beamte und zu Sparzwecken abmontierte Warmwasserboiler in Polizeidirektionen ging. „Mit dem gleichen Recht können sie auch beschließen, dass die Erde eine Scheibe ist“, wetterte Bartling.

Der von der Opposition attackierte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ließ alle Vorwürfe an sich abklatschen. Zufrieden thronte der Hardliner trotz aller Kritik auf seinem Ministersessel. Am Vortag hatte ihn eine spektakuläre Festnahme unverhofft bundesweit in die Schlagzeilen gebracht.

In Georgsmarienhütte bei Osnabrück hatten Fahnder einen 36-jährigen Iraker verhaftet, der Terrorbotschaften von Osama bin Laden und anderen al-Quaida-Führern im Internet verbreitet haben soll (taz berichtete). Und obwohl für dessen Festnahme eigentlich die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe verantwortlich ist, ließ Schünemann nichts unversucht, um den Fall für seine Zwecke auszuschlachten.

In der „Netzzeitung“ forderte er härtere Strafen für „Cyber-Terroristen“. Das Herunterladen von Hassbotschaften solle ein eigener Straftatbestand werden. Bei den Strafen könne man sich an den Sanktionen gegen Kinderpornografie orientieren.

Daran, dass das Arsenal von Polizei und Justiz im Kampf gegen den Terrorismus nicht ausreichend bestückt sei, habe die Festnahme nichts geändert, betonte Schünemann. „Wir haben leider durch das Bundesverfassungsgericht in den letzten Monaten einige Einschränkungen hinnehmen müssen“, sagte der Innenminister und nannte Urteile gegen die Rasterfahndung, den Lauschangriff oder die präventive Telefonüberwachung. Dass die Richter die Maßnahmen teilweise eingeschränkt hätten, habe „das Aufspüren von islamistischen Terroristen nicht gerade erleichtert“, meinte der Minister. Die vom höchsten deutschen Gericht gefällten Urteile seien „bedauerlich, weil eine effektive Terrorbekämpfung erschwert wird“.

Bereits am Dienstag hatte Schünemann trotz laufenden Parlamentsbetriebs flugs eine Pressekonferenz einberufen, um aus dem festgenommenen Iraker Honig zu saugen. Zum Fall selber konnte er nicht viel sagen. Wohl aber über die Umstände der Festnahme: Im Rahmen eines anderen Strafverfahrens habe die Polizei den Verhafteten bereits vor einem Jahr per Telefonüberwachung ins Visier genommen, erzählte Schünemann.

Die Erkenntnisse zu dem mutmaßlichen al-Quaida-Unterstützer seien noch mit Hilfe der präventiven Telefonüberwachung gewonnen worden. Die niedersächsische Regelung hatte das Bundesverfassungsgericht jedoch im Juli 2005 für „nichtig“ erklärt, weil sie ein uferloses Abhören von Handys erlaubte, um Gefahren abzuwehren oder um Straftaten „vorsorglich“ zu verhindern.

Bereits nach den fehlgeschlagenen Kofferbomben-Attentaten auf Regionalzüge im August hatte der CDU-Minister betont, er wolle eine Novelle des Gesetzes auf den Weg bringen. Und bereits damals hatte der Koalitionspartner FDP „politischen Aktionismus“ gewittert. Ein Göttinger Jurist arbeitet derzeit an einer „rechtssicheren“ Formulierung, nach der das Lauschen wenigstens bei Terrorismus und Extremismusverdacht vorbeugend möglich sein soll.