Durchtriebene Winkelzüge

Schach-Weltmeister Topalow und sein Herausforderer Kramnik gehen mit einem Unentschieden in die letzte Partie

BERLIN taz ■ Der moralische Sieger der WM-Titelvereinigung steht bereits vor der heutigen letzten Partie fest: Wladimir Kramnik. Auf der Homepage des Weltmeisters im klassischen Schach stechen zwei Ergebnisse ins Auge. Zum einen wird auf das offizielle Resultat des Schach-Weltverbandes Fide verwiesen „Kramnik 5,5:5,5 Topalow“. Zum anderen prangt direkt darunter „Wahrer Score am Brett: Kramnik 5,5:4,5 Topalow“.

Vor dem hart umkämpften Remis nach 66 Zügen am Dienstagabend gegen den Bulgaren Wesselin Topalow unterstrich der Russe mit einem offenen Brief nochmals seine Position. Darin forderte der 31-Jährige eine Neuansetzung der fünften Partie im kalmückischen Elista, die er wegen der Toilettenaffäre kampflos verloren hatte. Ihm wurde von bulgarischer Seite vorgeworfen, er würde auf dem WC mit einem Computer betrügen. „Das Schreiben war wichtig, um künftige rechtliche Schritte zu unterstreichen“, betonte der Moskauer, der angeblich wegen des politischen Drucks aus Russland den WM-Kampf unter Protest fortgesetzt hatte. Den juristischen Erfolg beim Sportgericht in Lausanne peilt Kramnik aber nur an, wenn er den Sieg heute nicht schon am Brett sichert. Bei einem weiteren Unentschieden müssen die beiden Großmeister morgen vier Schnellschach-Partien austragen.

Nach der Punkteteilung mit Schwarz, bei der Kramnik am Schluss einen symbolischen Vorteil von einem Bauern besaß, gab er sich optimistisch. „Man sollte nicht vergessen, dass ich Weiß habe.“ Sein Kontrahent Topalow stritt jegliche Nervosität ab, betonte aber: „Das ist vielleicht das wichtigste Match meines Lebens.“ Der 31-jährige Fide-Weltmeister haderte mit seiner Chancenverwertung. „Die WM könnte schon längst vorbei sein, hätte ich alle Positionen richtig verwertet“, urteilte Topalow. Lockerer scheint Kramnik in die entscheidende Schlacht zu ziehen. Bei einem Remis könnte der Weltranglistendritte auf seine Qualitäten als besserer Schnellschachspieler vertrauen. „Es ist nicht so schlecht, wenn die Entscheidung im Schnell- oder Blitzschach fällt“, orakelte der Russe. „Ich meine im Vergleich dazu, dass das Schicksal des Titels vor Gericht entschieden werden könnte!“ HARTMUT METZ