Die Macht der jungen Player

VIDEO ON DEMAND Das Fernsehen will ins Internet – die Videoplattformen sind schon da. Bei der TV-Programm-Messe (MIPTV) in Cannes zeigt sich, dass die Konkurrenten einander durchaus nützlich sein können

Bereits zehn Prozent der Umsätze beim Programmhandel kommen von den neuen Onlinevideotheken

VON WILFRIED URBE

Es ist eines der wichtigsten Themen auf der größten TV-Programm-Messe der Welt, der MIPTV in Cannes. Internetplattformen wie YouTube, Amazon, Netflix oder Watchever beginnen, den Handel mit Film- und Fernsehprogrammen umzukrempeln. Noch vor Kurzem haben sie überhaupt keine Rolle gespielt. Jetzt kommen bereits schätzungsweise zehn Prozent der Erlöse, die beim Programmhandel umgesetzt werden, von den neuen Onlinevideotheken. Bei der Tochter der ProSiebenSat.1 Group Red Arrow Entertainment haben die Einnahmen mit dem Verkauf von Programmen an die digitalen Plattformen bereits letztes Jahr einen Anteil von 30 Prozent an den gesamten Programmvertriebserlösen eingenommen, wie jetzt in Südfrankreich bekanntgegeben wurde.

Diese Entwicklung verwundert nicht, denn auch die Erlöse der Onlinevideotheken erhöhen sich. 150 Millionen Euro waren es allein in Deutschland im letzten Jahr, was eine Steigerung von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Und die Tendenz bleibt steigend. 300 Millionen Euro mindestens werden die Download- und Streaming-Anbieter nach einer vorsichtigen Schätzung von Research House 2017 erzielen. PricewaterhouseCoopers (PwC) geht für dieses Jahr sogar von einem Umsatz von 500 Millionen Euro aus.

„Die digitalen Plattformen werden mehr und mehr zu wichtigen Abnehmern für Inhalte“, stellt Martin von Winterfeld aus der Geschäftsführung von Eyeworks Germany fest. Der Kölner gibt damit die Meinung der meisten Produktionsfirmen wieder. Aber welche Auswirkungen sind für das klassische Fernsehen zu erwarten? Kerry Trainor, Geschäftsführer der Plattform Vimeo, geht davon aus, dass linearer TV-Konsum in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören wird.

Ein deutscher Medienmanager dagegen wiegelt ab: „In der Branche selbst wird die Entwicklung genau beobachtet, aber fragen Sie die Konsumenten: Von denen hat noch niemand beispielsweise den Namen Netflix gehört“, behauptet er. Wie werden die neuen Plattformen das Problem der Bezahlung lösen, fragt er, wie die Aufgabe, Kooperationspartner für die technische Distribution zu finden?

Warum die neuen Player für die Produzenten so wichtig werden, weiß Jan Mojto von Beta Film, einer der wichtigsten Programmhändler Europas, zu erklären: „Grundsätzlich sind hier neue Vertriebswege entstanden. Und daraus erwachsen neue Finanzierungsquellen. Für den Bereich der internationalen Produktion ist das enorm interessant, denn Programme für den internationalen Markt, aber auch teilweise für den nationalen Markt, sind nur international finanzierbar. Das bedeutet, dass wir heute auch auf die Mittel der neuen Plattformen wie Netflix zurückgreifen können“, so Mojto. Bei der TV-Serie „Borgia“ etwa, die derzeit im ZDF läuft, sei das schon geschehen.

Die Anzeichen dafür, dass die Onliner das Geschäft zunehmend beeinflussen, mehren sich jedenfalls, und das nicht nur auf der Messe in Cannes.

ZDF Enterprises hat bereits im Vorfeld zur MIPTV ein Paket von 12 Dokumentationen an Hulu verkauft. Und Red Arrow Entertainment gab jetzt bekannt, dass sie für Amazon die zehnteilige Krimiserie „Bosch“ produzieren werden. Ebenfalls über Red Arrow hat der ProsiebenSat.1-Konzern seine Präsenz in der digitalen Welt verstärkt: mit dem Erwerb von 20 Prozent des YouTube-Netzwerkes Collective Digital Studio (CDS). Zusätzlich wird der Münchener Medienkonzern jetzt außerdem sechs seiner Sender über den Streamingdienst Zattoo ausstrahlen.

Die traditionellen Fernsehsender versuchen, mit den jungen Playern aus der digitalen Welt mitzuhalten. Zwar sind klassische Fernsehstationen auch Plattformen, aber sie müssen die Infrastruktur für die Verbreitung ihrer Programme über Internet erst noch aufbauen. Die neuen Konkurrenten dagegen sind mit diesen Voraussetzungen direkt an den Start gegangen. Daher verstärkt sich der Streit über die Rechte zwischen Sendern und Produzenten. Und während die Produktionsunternehmen neue Finanzierungsmöglichkeiten sehen, versuchen die Sender die Internetrechte zu vereinnahmen, um sich gegenüber den digitalen Plattformen zu behaupten.