Bei Airbus ist nur die Krise klar

Konzernchef Gallois kündigt in Hamburg harte Entscheidungen an. Bürgermeister von Beust beharrt auf Verträgen. Niedersachsens Landtag will Werke retten. Widersprüche beim Kauf von Airbus-Aktien

Airbus-Chef Louis Gallois in Hamburg: „Wettbewerb zwischen Toulouse und Hamburg, ja, aber bitte keinen Krieg“

Von Kai Schöneberg
und Sven-Michael Veit

„Wir haben noch viel zu debattieren“, sagte der neue Airbus-Chef Louis Gallois gestern Mittag im Hamburger Rathaus nach einem halbstündigen Treffen mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU). „Die Chancen sind größer als die Risiken“, orakelte dieser. Es werde „harte Entscheidungen geben müssen“, stellte Gallois klar. Wenn es „Einschnitte gibt, dann aber fair verteilt“, mahnte von Beust – bei der Bewältigung der Krise des Flugzeugbauers Airbus, das wurde gestern klar, ist noch gar nichts klar.

Widersprüchliche Äußerungen gab es zudem über die Frage, ob der Bund Anteile am Airbus-Mutterkonzern EADS erwerben will. Ole von Beust „begrüßte“ einen entsprechenden Beschluss des Bundeskabinetts und kündigte an, Hamburg selbst werde sich an EADS beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dementierte hingegen in Paris, dass die Bundesregierung eine solche Entscheidung überhaupt getroffen habe. Daraufhin ruderte von Beust am Abend zurück: „Es werden verschiedene Szenarien geprüft“, ließ er per Presseerklärung wissen.

Auch in Niedersachsen wird über den betriebswirtschaftlichen Sündenfall nachgedacht: Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wollte gestern eine staatliche Unterstützung des Konzerns nicht ausschließen. In wenigen Tagen will er sich mit EADS-Co-Chef Thomas Enders treffen. Ein Problem ist für Ministerpräsident Wulff allerdings sein Koalitionspartner FDP, mit dem eine Beteiligung bei Airbus wohl nicht zu machen wäre. Immerhin deutete Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) im Landtag an, dass eine indirekte Unterstützung des Konzerns denkbar wäre: „Im Zusammenspiel mit den Bundesländern Hamburg und Bremen werden wir die Instrumente der Wirtschaftsförderung weiter nutzen“, sagte Hirche.

Politisch brachte die Airbus-Krise gestern eine ungewöhnliche All-Parteien-Koalition im Landtag in Hannover zusammen: CDU, SPD, FDP und Grüne votierten einstimmig für eine Resolution, die Airbus-Standorte in Norddeutschland zu sichern. Die Politik müsse „darauf achten, dass es keine Produktionsverschiebungen nach Frankreich gibt“, betonte CDU-Fraktionschef David McAllister.

Gallois, der vor dem Gespräch mit dem Hamburger Regierungschef dem deutschen Airbus-Hauptwerk in Hamburg-Finkenwerder einen „Antrittsbesuch“ abgestattet hatte, vermied gestern jede Festlegung in der Standortfrage: „Wettbewerb zwischen Toulouse und Hamburg, ja, aber bitte keinen Krieg.“ Noch sei keine Entscheidung gefallen, wie die Krise des Flugzeugbauers bewältigt werden solle, betonte Gallois. Alle Gerüchte über die bevorstehende Schließung von Airbus-Werken sei „reine Spekulation“. Die fünf weiteren Standorte des Konzerns in Bremen und Niedersachsen seien „genau so sicher wie Hamburg“, ergänzte Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken auf Nachfragen. Er hätte auch „genau so unsicher“ sagen können.

Zugleich stellte Gallois klar, dass Airbus seine Betriebskosten um etwa 30 Prozent reduzieren müsse. Dafür gebe es „viele Wege“, Arbeitsplätze jedoch „werden wir reduzieren“. Jedoch wolle er „alles tun, um Entlassungen zu vermeiden. Das gilt nicht nur für Hamburg, sondern für Airbus insgesamt“.

Auch gebe es keine Entscheidung über die Konzentrierung der Endmontage des Riesenjets A380 in Toulouse oder über die Aufgabenteilung mit externen Zulieferern. Ole von Beust beharrte derweil auf seinen „Essentials“. An den Entwicklungsmöglichkeiten des Standortes Hamburg durch die Startbahnverlängerung und die Endfertigung des A380 lasse er nicht rütteln. Gallois habe ihm zugesagt, dass alle Verträge über den Ausbau des Werks an der Elbe „eingehalten“ würden. Gallois bestätigte lediglich, dass „Hamburg und die anderen Werke“ in Norddeutschland „wichtig“ seien.

Der Gesamtbetriebsrat von Airbus Deutschland, der am Morgen mit Gallois im Werk Finkenwerder konferiert hatte, forderte vom neuen Chef „ein klares Bekenntnis zu allen Standorten“ ein. Es müsse endlich Schluss sein, so dessen Vorsitzender Rüdiger Lütjen, „mit den Chaostagen im Management“.

aktuelles SEITE 2