Nur auf die Revolution warten?

PARTEIEN Die Linke bestätigte mit einer satten 2/3-Mehrheit ihre SprecherInnen im Amt – aber es gibt eine starke Minderheit, die behauptet, es gehe in der Partei nur um Posten

VON KLAUS WOLSCHNER

Bei dem Streit habe er das „blöde Gefühl“, erklärte der Bürgerschaftsabgeordnete Klaus-Rainer Rupp am Samstag nach drei Stunden Parteitag der Linken, dass jetzt 30 nach der einen Seite und 30 nach der anderen Seite aus dem Saal gehen könnten – und die Partei am Ende wäre: „So kommen wir nicht wieder in die Bürgerschaft.“ Und Sönke Hundt, früher Hochschullehrer für Betriebswirtschaft an der Hochschule Bremen, erklärte, warum so erbittert gestritten wurde: Um Inhalte ging es da weniger, sagte er, es sei das „Grummeln vor der Aufstellungsversammlung“, was sich da auswirke. Im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen seien „Begehrlichkeiten“ geweckt, es gehe um viel Geld, Posten. Im Klartext: „Wir haben 500 Mitglieder und 550 wollen in die Bürgerschaft.“ Da würden „Beutegemeinschaften“ gebildet, würde Politik aus Karrieregründen gemacht.

„Das stimmt“, ruft einer von hinten. Am Ende eines langen Debattentages wurde das ganze Dilemma der Partei deutlich: Die beiden Sprecherposten des Vorstandes konnten neu besetzt werden, aber es kandidierte niemand von den Kritikern. Die, die das bisher gemacht hatten, die Sozialarbeiterin Conny Barth und der promovierte Sozialwissenschaftler Christoph Speer, wurden wiedergewählt, obwohl beide angekündigt hatten, dass sie im Mai für die Bürgerschaft kandidieren wollen und im Falle einer Wahl ihre Sprecher-Funktion niederlegen wollten, weil sie für die Trennung von Parlaments-Mandaten und Parteiämtern sind.

Warum gab es keine Gegenkandidaten? Man habe „resigniert“, sagte einer am Rande. Demonstrativ auf dem Parteitag ausgetreten ist das engagierte Blumenthaler Beiratsmitglied Axel Strausdat. „Liebe Genossen“ hat er gesagt, und dann: Solidarität sei in der Partei ein „reines Lippenbekenntnis“. Da werde „nur noch das politische Glaubensbekenntnis heruntergebetet“, mit „realpolitischen Positionen“ setzte sich niemand mehr auseinander. Er trat aus und wünschte seinen innerparteilichen Gegnern, „dass ihnen das Warten auf die Massen und die Revolution nicht zu lang wird“. Sektkorken hätten geknallt in der Partei bei der Nachricht vom Austritt, behauptete der Fraktionsmitarbeiter Jörg Güthler, und wenn man sich auf dem Parteitag streite „wie die Kesselflicker“, dann sei das gut so: „Ich bin nicht solidarisch mit denen, die diese Partei für ihre Interessen missbrauchen.“

Zu den Kritikern, die gegen die Entlastung des Landesvorstands stimmten, zählten aber auch Abgeordnete wie Inga Nitz und Peter Erlanson, zwei Abgeordnete waren erst gar nicht eschienen – da scheint der Kern des machtpolitischen Konfliktes zu liegen. Die Mehrheit der Fraktion ist gegen die Mehrheit der Partei und hat die Sorge, dass das bei der nächsten Kandidatenaufstellung korrigiert wird. Die Sorge ist berechtigt: mit 40 Ja- und 22 Nein-Stimmen wurde die Parteisprecherin Conny Barth wiedergewählt. Christoph Speer bekam 48 Stimmen bei 15 Gegenstimmen. Die Mehrheit scheint solide.