„Niedrig belastete Gruppe“

Eine Studie im Auftrag der Hamburger Polizei weist nach: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind Aussiedler nicht häufiger kriminell als andere Gruppen. Polizeipräsident erfreut darüber, ein Vorurteil widerlegen zu können

Hamburgs Polizei hat gestern mit einem alten Klischee aufgeräumt: Aussiedler werden nicht häufiger kriminell als Deutsche ohne entsprechenden Hintergrund. Die Kriminalitätsbelastung dieser Gruppe könne „sogar als niedrig bezeichnet werden“, wusste Polizeipräsident Werner Jantosch gestern zu berichten. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie des Landeskriminalamtes (LKA). Jantosch freute sich darüber, „ein Vorurteil widerlegen zu können“.

Untersucht wurden alle Delikte, die der Polizei zwischen Juli 2004 und Ende Juni 2005 gemeldet wurden. In dieser Zeit waren der Gruppe der Aussiedler – überwiegend aus den ehemaligen GUS-Staaten sowie aus Polen – 914 Tatverdächtige mit 1.091 Taten zuzuordnen. Hochgerechnet auf die insgesamt 67.026 in der Stadft gemeldeten Aussiedler seien diese im Vergleich zur Gesamtbevölkerung „eher geringer mit Kriminalität belastet, als so mancher am Anfang der Studie dachte“, so Jantosch.

Als er im März 2004 Polizeipräsident wurde, erzählte Jantosch, seien die Schlagzeilen der örtlichen Medien von Gewalttaten durch Aussiedler bestimmt gewesen. Die herkömmliche Kriminalstatistik habe keinen Aufschluss darüber gegeben, ob Aussiedler tatsächlich in gesteigertem Maße Straftaten begehen – sie unterscheiden nur zwischen Deutschen und Ausländern, und Aussiedler sind deutsche Staatsangehörige. Dass vor allem Russlanddeutsche entgegen den nun erhobenen Fakten als gewalttätig wahrgenommen würden, läge daran, dass sie sich oft auf der Straße träfen „und dort gerne Wodka trinken“, so Jantosch. Dann seien vor allem junge Männer oft etwas lauter.

Ingeborg Legge vom Analyse- und Planungszentrum des LKA wies darauf hin, dass Aussiedler bei Straftaten häufiger entdeckt werden als andere. Die meisten ihrer Taten seien so genannte „Kontrolldelikte“, etwa Ladendiebstähle. In Geschäften aber, so Legge, würden Russlanddeutsche von Sicherheitskräften stärker wahrgenommen und so auch öfters kontrolliert. Komme es zu Gewaltdelikten, begingen Aussiedler diese meist im öffentlichen Raum. Dadurch würden diese Taten häufiger entdeckt.

Legge zufolge sind vergleichbare Studien auch in Bayern und Niedersachsen durchgeführt worden. Bei der Untersuchung der Kriminalitätsrate in Hannover und Wolfsburg sei die Polizei „zu den gleichen Ergebnissen gekommen“. ELKE SPANNER