Heftige Wellenbewegungen

SCHWIMMEN Britta Steffen kehrt zurück ins Becken, ist aber vor allem damit beschäftigt, ihre Liaison mit Schwimm-Traumpaarpartner Paul Biedermann kontrolliert zu inszenieren

AUS BERLIN JOHANNES KOPP

Ein Schauder muss Britta Steffen am Samstag um 16.56 Uhr über den Rücken gelaufen sein. Es war ihr ganz persönliches vorzeitiges Halloween-Erlebnis, als sie nach 50 Metern Freistil auf die Anzeigetafel blickte. „Vierte, ich dachte, das kann doch nicht sein“, sagte sie hernach. Ihren Gefühlszustand umschrieb sie mit der deftigen Vokabel „beschissen“. Dabei lächelte sie aber, als hätte sie eine Maske auf.

Ein Schluck Wasser zu viel habe sie zu viele Hundertstelsekunden gekostet. So analysierte die Olympiasiegerin und Weltmeisterin Britta Steffen ihren ersten Final-Wettbewerb nach neunmonatiger verletzungs- und krankheitsbedingter Pause. Kurz vor der Wende hatte sie sich verschluckt und schlug dann beim Kurzbahn-Weltcup in Berlin erst nach 24,53 Sekunden an. Im Vorlauf am Vormittag war sie noch mit 24,30 Sekunden die zweitschnellste Zeit geschwommen. Und am Sonntagmorgen qualifizierte sie sich lediglich als Sechste über 100 m Freistil (54,22 Sekunden) für das Finale.

Eigentlich passte das mäßige Ergebnis ganz gut in das von Steffen selbst gezeichnete Bild der Anfängerin, die diese Woche erst das Gefühl zurückgewonnen habe, „schwimmen zu können“. Sie wollte, dass von außen keine großen Erwartungen an sie gerichtet werden. Ihre eigenen hatte sie aber scheinbar schon in beträchtliche Höhe aufgetürmt. Sie bekannte: „Das habe ich mir schon anders vorgestellt. Vielleicht wollte ich mehr, als ich konnte.“

Das Fazit ihres Trainers Norbert Warnatzsch fiel wesentlich nüchterner aus. Mit dem Missgeschick des verschluckten Wassers wollte er sich gar nicht näher befassen. Er sagte: „Das ist der Stand. Mehr kann sie noch nicht.“ Man habe vor dem Weltcup extra eine Pressekonferenz einberufen, um darzustellen, dass nicht die heutigen Ergebnisse, sondern die WM im Juli 2011 und die Olympischen Spiele 2012 in London zählen würden. „Wir haben ja noch nichts gemacht“, erklärte Warnatzsch. Für einen wie ihn, der schon Franziska van Almsick zur Vorzeigeschwimmerin formte, sind die vier Wochen Vorbereitungszeit, die Steffen bislang hinter sich hat, eine vernachlässigbare Größe.

Nach der ersten Enttäuschung versuchte auch Steffen sich selbst zu trösten: „Es ist ja in Anführungszeichen nur ein Weltcup.“ Nachdem beim Treffen der Schwimmelite in Berlin vor einem Jahr dank der damals noch erlaubten Hightech-Anzüge knapp 16 Weltrekorde fielen, war an diesem Wochenende fürwahr nur gewöhnliches menschliches Machwerk zu begutachten. Nichts Exzeptionelles eben. Aus deutscher Sicht fiel lediglich der Hamburger Markus Deibler aus dem Rahmen. Er gewann die 100 Meter Lagen in der Weltjahresbestzeit von 52,17 Sekunden.

Dennoch wird dieser Weltcup in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der langersehnten Rückkehr von Britta Steffen ins Schwimmbecken, sondern weil die Berlinerin erstmals gemeinsam mit ihrem Freund Paul Biedermann bei einem Wettbewerb auftrat. Die seit dem Frühjahr bestehende Liaison mit dem erfolgreichsten deutschen Schwimmer bescherte dem Weltcup die mediale Aufmerksamkeit, für die es ansonsten eben ein Dutzend Weltrekorde braucht.

Mit der Strategie der kontrollierten Offensive versuchte das Sportlerpaar am Wochenende dem insbesondere großen Interesse der Boulevardpresse zu begegnen. Vor dem Weltcup am Freitag traten die beiden gemeinsam bei einer Pressekonferenz auf und küssten sich nach den Wettkämpfen am Beckenrand für die Kameraobjektive. Auch die dümmlichsten Fragen wurden geduldig beantwortet. Steffen musste bekennen, dass sie nicht neidisch auf Biedermann sei, da dieser ja sein Finale über 400 Meter Freistil gewonnen hatte, und umgekehrt musste der 24-Jährige erklären, warum sich sein Liebste nur verschlucken konnte.

Die heftigen Wellenbewegungen auf der Sprintstrecke seien schuld, mutmaßte der Hallenser. Ob künftig das Interesse an Deutschlands erfolgreichstem Sportlertraumpaar weiterhin so große Wellen schlagen wird, weiß Biedermann nicht einzuschätzen. Er sagte: „Ich hoffe, dass das jetzt abebbt, aber ich bin ja kein Chefredakteur.“