Länderchefs auf Geldsuche

Airbus retten: Politiker im Norden rätseln, wie sie Anteile am Luftfahrtkonzern bezahlen könnten. Dabei hat Hamburg seine Anteile gerade erst verscherbelt – und wartet immer noch auf das Geld

Von Kai Schöneberg
und Sven-Michael Veit

Ein möglicher Einstieg Deutschlands beim Airbus-Mutterkonzern EADS könnte gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden. Mehrere Ministerpräsidenten deuteten gestern Unterstützung für den Fall an, dass die staatliche KfW-Bankengruppe Anteile kauft. Angeschoben hatte die Debatte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) – doch der hat ein hausgemachtes Problem, das einem Treppenwitz sehr nahe kommt: Die Stadt muss nächstes Jahr erst mal aus EADS aussteigen.

Im März 2003 hat Hamburg seinen Anteil von 5,949 Prozent an die DaimlerChrysler-Tochter DCLRH verkauft und damit die Beteiligung an Airbus. Käufer ist DaimlerChrysler, der größte Airbus-Teilhaber (siehe Kasten). Vereinbart wurde ein Optionsgeschäft: Entweder erhält Hamburg 450 Millionen Euro oder den Gegenwert in EADS-Aktien. Letzteres hätte die Stadt im Sommer 2004 einfordern müssen.

Tat sie aber nicht, denn sie wollte von Anfang an das Geld, um „eine der bedeutendsten Zukunftsinvestitionen der Stadt zu finanzieren“, wie Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) damals erklärte. Mit dem Verkaufserlös sollte zum größten Teil die Zuschüttung der Elbbucht Mühlenberger Loch bezahlt werden und damit die Erweiterung des Airbus-Werks Finkenwerder für den fliegenden Doppeldecker A380.

Der Ausbau ist fertig, Hamburg hat sich das 650 Millionen Euro kosten lassen, DaimlerChrysler aber muss den Kaufpreis von 450 Millionen Euro erst im Oktober nächsten Jahres überweisen, wie die Hamburger Finanzbehörde der taz gestern auf Nachfrage bestätigte.

Ein gelungener Politcoup: Hamburg verkauft Airbus, erhält den Erlös vier Jahre später, baut in der Zwischenzeit auf eigene Kosten für Airbus ein Werk für den Superjet A380, den Airbus jetzt in Frage stellt – und will nun wieder Airbus-Anteile kaufen. „Das ist“, kommentiert ein intimer Kenner der Vorgänge, „wirklich sehr unglücklich gelaufen.“

Die Landesregierung in Hannover grübelt derweil darüber, wie die etwa 5.500 Jobs in den vier niedersächsischen Airbus-Werken Buxtehude, Stade, Nordenham und Varel zu retten seien. Gestern schloss Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) schwammig staatliche Unterstützung für den Konzern nicht aus – und brachte dabei eine Beteiligung von Bundesländern ins Gespräch.

Dafür gäbe es mehrere Optionen: Niedersachsen könnte seine Aktienbeteiligungen versilbern, um genug Geld für Airbus aufzubringen, auch gemeinsam mit dem Bund und Hamburg. Der Zeitpunkt wäre gut gewählt: Die Beteiligung beim Stahlkonzern Salzgitter könnte derzeit satte 986 Millionen Euro einbringen, beim Verkauf der VW-Aktien kämen 382 Millionen zusammen. Das würde schon fast reichen, um die 7,5 Prozent der EADS-Aktien zu kaufen, die DaimlerChrysler abstoßen will.

Allerdings gibt es für Salzgitter eine Haltevereinbarung bis zum Jahr 2010, die Anteile bei VW braucht das Land wohl, um die dort immer noch knapp 100.000 bedrohten Jobs zu sichern. Wahrscheinlicher dürfte deshalb ein Deal mit der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft sein. Sie gehört zwar zum Land. Aber wenn sie Schulden für eine Airbus-Beteiligung aufnimmt, würden die nicht im Landeshaushalt auftauchen. Also könnte Niedersachsen problemlos Airbus-Anteile kaufen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, im kommenden Jahr die Neuverschuldung um erneut 350 Millionen Euro zu senken.

Allerdings scheint es fraglich, ob der Koalitionspartner FDP eine Landesbeteiligung mitmachen würde. Der liberale Wirtschaftsminister Walter Hirche war in der Vergangenheit auch stets gegen die Landesbeteiligung an VW. Denkbar sind für die Liberalen allenfalls Beihilfen zu Forschungsprojekten im Flugzeugbereich. Immerhin: Der Druck aus den Parteien ist da: Am Donnerstag hatte eine Allparteienkoalition im Landtag der Regierung den Auftrag gegeben, die Jobs in den norddeutschen Werken zu retten.

Den Druck hat auch Ole von Beust. Die rot-grüne Opposition in der Bürgerschaft, Handelskammer, Industrieverband und Gewerkschaften fordern ihn unisono auf, „den Luftfahrtstandort Hamburg“ zu retten. Das Problem des Regierungschefs jedoch ist: So recht was zu verkaufen hat er nicht mehr. Zu verlieren aber sehr viel.