Die wackere Provinzlinke

20 Jahre taz bremen: Zeit genug, um Sterne des Lokaljournalismus aufgehen und verglühen zu sehen. Zeit genug für eine Kolumne gegen die Mächte des Bösen und für den Willen zur Veränderung

von ULRICH ,URDRÜ‘ REINEKING

Immer wieder empörte uns wackere Provinzlinke in Bremen, Itzehoe, Hamburg-Altona, Braunschweig, Salzgitter-Bleckenstedt und anderswo der Umstand, dass sich mit der Entwicklung der taz die Frontstadt Westberlin als revolutionäres Zentrum gerieren durfte – als Nabel unserer kleinen Welt zwischen Tunix und Tuwat, BAT, Sozialhilfe und Bafög.

Wir waren es doch, die (oft genug auch als Berlin-Dissidenten) den Kampf gegen die Atomstandorte in Grohnde, Brokdorf und Stade aufgenommen hatten, während in den Altbauwohnungen und Fabriketagen von Kreuzberg und Charlottenburg das Kommentatorentum gepflegt wurde und im Schatten der Mauer die Milieu-Idylle gedeihen konnte. Und dabei war es doch die Besetzung des Hamburger Büros von Amnesty International, aus deren Teilnehmern sich die dritte Generation der ansonsten schon wieder marginalisierten RAF rekrutierte.

Nach den Bremer Straßenbahnunruhen von anno dunnemals war es dann im Jahre 1980 das gellende Pfeifkonzert im Weserstadion und sogar brennende Bundeswehrfahrzeuge beim anschließenden Straßentreiben, mit denen im Kampf gegen die öffentliche Vermeineidigung von 1.200 Nachwuchskillern in Uniform die Töchter und Söhne des hanseatischen Widerstands ihren Wiederaufstieg in die linke Champions League feierten: wer danach als Bremer Jung in Freiburg, Frankfurt oder Köln zu tun hatte, erntete allemal jene schulterklopfende Anerkennung , die man den Berliner Prahlhanseln längst nicht mehr zugestehen wollte.

Da elektrisierte es mich seinerzeit gewaltig, als da aus dem gärenden Urschlamm des Nordens plötzlich gewaltige Schlammblasen von einem Prozess kündeten, der aus diversen Gründen in Bremen an mir vorbeigegangen war – und das, obwohl ich seinerzeit noch im Bündnis mit verschiedenen Initiativen für das Projekt linke Tageszeitung durch das damals noch real als solches existierende Westdeutschland tourte, um Geld oder zumindest Sympathien für das Projekt einzuwerben. In Bremen. In Hamburg.

Im Norden also sollte es Lokalausgaben der taz geben und natürlich wollte ich mich da einbringen. Als Abonnent sowieso, als bescheidener Einleger von Betriebskapital und als unermüdlicher Propagandist des neuen Blattes überall dort, wo sich zwischen Waldau-Theater, Karo, GaDeWe, Deutsche Journalisten-Union und Schlachthof eine Gelegenheit dazu bot.

Es war dann der gebenedeite Künstler Til Mette, der die wahre Kolumne in Vorschlag brachte und unter Überwindung meiner gewerkschaftlichen Bedenken von wegen Selbstausbeutung durch Miniaturhonorare habe ich dann mit dem Schwung der schieren Verzweiflung über die Agonie im Lande mit diesem wöchentlichen Kärrnerdienst gegen die Mächte des Bösen im Norden begonnen.

Habe darüber Sterne des alternativen Lokaljournalismus aufsteigen und erblühen, gelegentlich aber auch „auf der anderen Seite des Schreibtisches“ als Senatsprecher, Politikberater und Ähnliches verglühen sehen. Und dabei trotz alledem verstehen gelernt, dass auch für solche Prozesse gilt, dass im Falschen des Systems das Richtige nicht einfach so widerspruchsfrei stattfinden kann.

Und das alles ist schon zwanzig Jahre her? In der Zwischenzeit ist die so grunzvernünftige Mauer zur Verkleinerung des Reiches – längst gefallen. Das sechswöchige Catchturnier auf der Würgerweide – verloren gegangen, ebenso wie das Niederdeutsche, die besetzten Häuser da und dort, das Minigolfparadies an der Erdbeerbrücke.

Was bei alledem bleibt, ist der Wille zur Veränderung. Und Klaus Wolschner als gültige Instanz in der Proszeniumsloge. Und es bleibt hoffentlich ein Blatt, dieses Blatt, das beim norddeutschen Welttheater zuschaut und gelegentlich auch seinen Beitrag dazu leistet…...

Hinweis: Ulrich Reineking, Bremer Journalist und Kabarettist, schreibt als „Urdrü“ seit taz-Gedenken die „Wahre Kolumne“.