Das erste Mal

Erfolglose Polizeirazzia, Streik der Setzerinnen wegen frauenfeindlicher Fotos, die erste Fahrt mit der Polizei in die Hafenstraße: taz-Redakteure erinnern sich an Premieren der taz hamburg

von KAI VON APPEN
und SVEN-MICHAEL VEIT

ERSTER FRAUENSTREIKDie Setzerinnen in den Kinderjahren der taz hamburg waren nicht bloß Abtipperinnen, sie mischten sich getreu dem politischen Anspruch der taz immer wieder in Redaktionelles ein. Bis hin zur Streikdrohung, als der der Filmredakteur zu seinem Bericht über die Porno-Filmtage ein als sexistisch beanstandetes Foto ins Blatt bringen wollte. Die Ansage war eindeutig: „Das kommt nicht ins Blatt, oder wir setzen den Artikel nicht.“

ERSTE RAZZIASie kamen pünktlich zur Redaktionssitzung. In der Tasche einen Durchsuchungsbeschluss. Gefahndet wurde nach einer Broschüre der militanten Frauengruppe „Rote Zora“. „Wir finden nicht einmal das, was wir suchen, geschweige denn, das, was wir nicht suchen“, begründete die Frauenredakteurin ihre Unwissenheit über den Verbleib des Rezensionsexemplars. Die Fahnder des Bundeskriminalamtes machten sich systematisch auf die Suche – begannen aber unpraktischerweise in der Kulturredaktion. Nach sechs Stunden verstaubten Hängeordner-Studiums verabschiedeten sie sich wieder bei der Chefin vom Dienst in ihrem Büro, der nach kurzer Zeit fast der Atem stehen blieb. Denn oben auf dem Stapel ihrer Schreibtisch-Ablage lag gut sichtbar das Heft der Begierde.

ERSTER POLIZEI-HILFERUFDie taz hamburg war wegen ihrer kritischen Berichte über die Polizeieinsätze an der St. Pauli-Hafenstraße in großen Teilen der Polizei unbeliebt. Trotzdem klingelte eines Sonntags im Sommer 1985 das Telefon in der Redaktion. „Wir haben einen Hilferuf aus der Hafenstraße erhalten“, sagte der Lagedienstbeamte. „Verdacht einer Vergewaltigung.“ Ob die taz einer Streifenwagen-Besatzung Zutritt zu den Häusern verschaffen könnte, sonst müsste die Polizei wieder mit einen Großaufgebot anrücken. Nach einigen Telefonaten war der Weg frei. Der Vorfall selbst konnte jedoch nie geklärt werden.

ERSTE EXTRA-AUSGABEAls die Arbeiter der Hamburger Werft HDW ihren Betriebs besetzten, beschloss die Redaktion spontan, sich mit Öffentlichkeitsarbeit solidarisch zu zeigen. Neben der regulären Ausgabe wurden nachts Extra-Ausgaben produziert, die frühmorgens von Gewerkschaftern in einer Auflage von 200.000 Exemplaren an den Knotenpunkten Hamburgs verteilt wurden. Kontingente gingen auch an die ebenfalls gebeutelten Werftarbeiter der „AG Weser“ und des „Bremer Vulkan“.

ERSTER STREIK

Die Nachricht kam Vormittags. Die taz hamburg müsse zur Kostenreduzierung Stellen abbauen, so die Vorgabe der Berliner Zentrale. Krisenplenum, frustrierte Debatten im Herbst 1994. Als das Gros der Reaktion nach der Redaktionskonferenz zur Tagesordnung übergehen wolle, schlug die Chefin vom Dienst auf den Tisch. „Ihr wollt doch jetzt nicht einfach so weiter machen.“ Das saß: Sofort waren sich alle einig, eine Streikausgabe mit einer Seite Informationen zur Situation und drei weißen „Streik“-Seiten zu produzieren. Zum Missfallen der Zentrale: In den nächsten Tagen stand ein Aufpasser neben der Druckmaschine, um Ähnliches zu verhindern.

DER ERSTE TECHNIKAUSFALL1994 später gab das frisch installierte Redaktionssystem seinen Geist auf, die Leitung in die Pinneberger Druckerei war nicht zu retten. Die Redaktion druckte alle vorhandenen Texte aus, klebte sie auf Bögen und ein Kurier fuhr sie in die Druckerei. Zeit zum Redigieren war nicht. So gelangte der Vorwurf ins Blatt, in einer Hamburger Kita würden entgegen vollmundigen Versprechungen keineswegs Bionudeln verabreicht. Am nächsten Tag kam eine Gegendarstellung ins Haus samt Unterlassungserklärung sowie die Ankündigung, sechsstellige Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Die Prozesse dauerten Jahre.

Hinweis: Kai von Appen schreibt seit Jahren für die taz über soziale und gewerkschaftliche Themen. Sven-Michael Veit ist politischer Korrespondent der taz im Norden.