Investigative Doppelkläuse

Wie die taz den investigativen Journalismus in Bremen wiederbelebte, den Servicejournalismus erfand und die Ampelkoalition sprengte. Soll sie sich jetzt als Online-Community neu erfinden?

Von KLAUS JARCHOW

Den Redaktionskaffee – war das überhaupt Kaffee? – lehnte jeder Besucher ab, der seine fünf Sinne beisammen hatte: Wie Asphalt tropfte die eingekochte Sandino-Dröhnung aus einer verspakten Kanne in rissige Becher. Auch das mag, neben den dauernden Abwerbeversuchen, ein Grund für die hohe Fluktuation in der Redaktion gewesen sein. Denn die taz erlebte am Dobben gerade ihre Blütezeit.

Dem investigativen Journalismus in der Stadt hauchten die Doppelkläuse Schloesser und Wolschner neues Leben ein: Einen hakenschlagenden Verwaltungschef Aribert Galla jagten sie durch die Unterwelt seiner „Schwarzgeldklinik“ St. Jürgen, bis der erschöpft sein Amt aufgab. Verglichen damit ist ein Vorstadt-Beau wie Andreas Lindner, jüngst geschasster Geschäftsführer des Krankenhauses Ost, nur eine kleine Mäuseplage.

Auch der Service-Journalismus wurde am Dobben erfunden – auf Kosten meines Rückens übrigens: Waggonweise verteilten wir in den Tagen nach Tschernobyl Milchpulver aus EU-Interventionsbeständen. Vor den Räumen der Grünen krachten Kinderwagen unter Zentnersäcken zusammen, an den edlen Rennern aus der Fahrradmanufaktur knickten die Felgen. „Lautsprecher“ aber und Auskunftsbüro für die Aktion war die taz.

Selbst „staatstreu“ war die taz für kurze Zeit: Als halbamtlicher „Moniteur“ des grünen Senators Ralf Fücks kreuzte sie zu Zeiten der Ampelkoalition mit ihrer kleinen Schaluppe vor den großen Mauern der Forts Wedemeier und Jäger, bis ihr ein Piepmatz in die Pulverkammer schiss und die ganze rot-gelb-grüne Veranstaltung unter Getöse in die Luft flog.

Die große Koalition ist publizistisch seither Eiszeit – für die taz wie für die anderen Medien auch. Selbst ein Abo-Monopolist wie der Weserkurier betreibt nur noch ein ödes „Content-Management-System“, das sich auf Tickermeldungen und Leihjournalisten stützt, die ein schwindendes Anzeigenvolumen mit „Grauwert“ drapieren. Politisch lautet die Informationsstrategie der großen Koalition – pikanterweise unter der Regie des Ex-taz’lers und heutigen Senatssprechers Klaus Schloesser – möglichst keine zu geben. Die Folge: Bremen ist sterbenslangweilig geworden. Im Grunde interessiert es uns Bürger noch nicht einmal mehr, ob dieses Land selbständig bleibt.

Ich persönlich glaube ja, dass die Götterdämmerung des herkömmlichen Journalismus noch gar nicht recht begonnen hat. Was für die taz bremen wiederum Vorteile haben könnte. Denn der neue Bürgerjournalismus – meist als Web 2.0 apostrophiert – braucht keine großen Investitionen. Er braucht vor allem Engagement. Die Bundestaz macht ja gerade vor, was für Möglichkeiten Blogs bieten können. Warum soll die taz nicht als Online-Community den Weserkurier und den Weser Report vor sich hertreiben?

Der taz bremen für die nächsten 20 Jahre jedenfalls alles Gute!

Hinweis: KLAUS JARCHOW, 53, Werbertexter, war 1986 Pressesprecher der Bremer Grünen. Nebenher schrieb er gelegentlich für die taz über Politik und Kultur