Von Neo-Nazis aus der Stadt geekelt

Ein schwerbehinderter ehemaliger PDS-Abgeordneter gibt seinen Wohnsitz im sächsischen Meerane auf. Viermal wurden Anschläge auf sein Haus verübt, in dem er auch ein Café betreibt. Augenzeugen sprechen von Tätern aus der rechten Szene

„Seit es ein NPD-Büro hier gibt, treten die Nazis selbstbewusster und aggressiver auf“

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Der ehemalige sächsische PDS-Landtagsabgeordnete Uwe Adamczyk gibt auf. Nach vier Anschlägen auf sein Haus verlässt er das westsächsische Städtchen Meerane, wo er seit 1987 lebte. Zuletzt brannten in der Nacht zum 16. September Müll und ein im Laden des Erdgeschosses abgestelltes Moped. Die Täter hatten eines der ohnehin schon vernagelten großen Fenster des früheren Konsums aufgebrochen. „3.20 Uhr alarmierten Nachbarn die Feuerwehr, ehe mir Schlimmeres passieren konnte“, sagt Adamczyk.

Für die Nutzung des Eckhauses hatte er im Frühjahr 2005 mit der Stadt einen Mietkaufvertrag abgeschlossen. „Mit der Einrichtung eines kleinen Begegnungszentrums, Gastronomie und Internet-Café eingeschlossen, wollte ich mir meinen Lebensunterhalt sichern.“ Ein durchaus politischer Ort schwebte ihm vor, an dem Lesungen und Diskussionen stattfinden könnten. Der Laden lag nicht nur in Zentrumsnähe, sondern bot dem von Geburt an schwerbehinderten und auf den Rollstuhl angewiesenen 44-Jährigen barrierefreien Zugang und eine Wohnung im Obergeschoss.

Adamczyk hatte nach zehn Jahren als antifaschistischer Sprecher der PDS-Landtagsfraktion in Dresden zu den Wahlen 2004 nicht wieder kandidiert. Im Landtag wurde er wegen seiner Antifa-Kontakte auch von den eigenen Genossen zwar immer wieder attackiert. Trotzdem schätzten ihn viele Kollegen auch als gutmütigen Menschen.

Aus Gutmütigkeit wohl auch öffnete er den soeben erworbenen Laden Schülern des gegenüberliegenden Gymnasiums als Freizeittreff. Einzige Einschränkung: Nazis müssen draußen bleiben! Zu seiner Enttäuschung dankten es ihm die Schüler wenig. Sie lärmten und urinierten vor dem Haus und verärgerten damit die Nachbarschaft. Adamczyk schränkte daraufhin den Gästekreis auf vertrauenswürdige Freunde aus der eher linken Szene ein. Einer der Räume ist noch heute entsprechend ausgestattet: FDJ-Nostalgie, Che Guevara, eine Antifa-Karikatur, PDS-Wahlplakate.

Das schuf Feinde. Mitte Dezember 2005 blieb es nicht mehr bei verbalen Attacken auf Adamczyk. In drei Angriffswellen wurden die Scheiben im Erdgeschoss eingeschlagen. Zur gleichen Zeit beschädigten Unbekannte das Haus und das Auto des Bürgermeisters Lothar Ungerer.

Nach einer Phase relativer Ruhe bis September kapituliert Adamczyk nun vor den Tätern, die die Polizei noch immer nicht kennt. Er räumt ein, dass es auch schwierig sei, das sanierungsbedürftige Haus finanziell zu halten. Ginge es ihm nur darum, hätte er sich auch eine andere Wohnung in Meerane nehmen können. Doch das Sicherheitsbedürfnis des Behinderten geht vor. „Es reicht mir!“ Seine Mandate in Stadtrat und Kreistag hat er niedergelegt. Auch eine Demonstration für ihn am 4. Oktober konnte ihn nicht umstimmen. Wohin er jetzt zieht, soll aus eben diesen Sicherheitsgründen nicht geschrieben werden.

Anderen sind die Täter nicht so unbekannt wie der Polizei. Einer der Schüler des benachbarten Gymnasiums hat die Täter gesehen und ordnet sie eindeutig der rechten Szene zu. Die NPD-Landtagsabgeordnete Gitta Schüßler, deren Büro sich nur einen knappen Kilometer entfernt befindet, weist jede Verstrickung in die Übergriffe von sich. Adamczyk will ihr das persönlich glauben. „Aber seit es ein NPD-Büro hier gibt, treten die Nazis selbstbewusster und aggressiver auf“, sagt er. Leise waren sie hier noch nie. Vor drei Jahren feierte die NPD-Zeitung Deutsche Stimme in Meerane ihr zweites Pressefest. Und Adamczyk kennt rechte Sympathisanten aus der Mittelschicht, einen Zahnarzt, Gastwirte. „Die Rechten sind hier sehr aktiv“, bestätigen auch die Gymnasiasten.

Zum selben Ergebnis kam Ende September eine geschlossene Sitzung des Stadtrates, die sich mit der Sicherheitslage in der Stadt befasste. Im öffentlichen Teil dieser Sitzung hatte Bürgermeister Ungerer sich noch um das Image der Stadt gesorgt, da ja die Nazi-Täterschaft noch nicht erwiesen sei. „So, als sei ich plötzlich der Böse“, sagt Adamczyk. Bürgermeister Ungerer hat inzwischen öffentlich gesagt, er bedauere den Wegzug von Adamczyk sehr.