„Ein langsames Siechen“

TSCHERNOBYL Ein Worpsweder Fotograf dokumentierte das grausame Schicksal der „Liquidatoren“

■ 63, ist freischaffender Dokumentarfotograf und Dozent. Er lebt in Worpswede.

taz: Sie haben die Menschen besucht, die nach der Reaktorexplosion zu Aufräumarbeiten verpflichtet wurden, Herr Lubricht. Davon leben noch welche?

Rüdiger Lubricht: Ja, einige schon. Sie haben damals verhindert, dass es in dem brennenden Reaktor zu einer weiteren Explosion kam, die alles im Umkreis von 500 Kilometern verstrahlt hätte. Doch zu dieser Arbeit wurden Hunderttausende per Militärrecht gezwungen.

Was für Menschen waren dies?

Meist Wehrpflichtige, aber auch junge Ärzte und Krankenschwestern. Damals wurde das Militärrecht angewendet. Sie wurden einer extremen Strahlung ausgesetzt.

Wie geht es ihnen heute?

Sie siechen langsam dahin. Unter anderem haben mir der Kommandant und eine Soldatin des „Sonderbatallions 731“ ihre Biografie offenbart. Sie leiden an Leukämie, Magenkrebs und anderen Krebsarten – und müssen für ihre Behandlung selbst bezahlen.

Der Staat …

… fühlt sich nicht verpflichtet. Damals waren sie die Helden der Sowjetunion, später hat man Material gestohlen und vernichtet, ihre Werte wurden gefälscht, um nicht verantwortlich zu sein.

Was haben sie getan?

Ich habe in vier Reisen nach Weissrussland und in die Ukraine 45 dieser ehemaligen Liquidatoren getroffen und porträtiert. Die Bilder und Texte sollen im kommenden Jahr anlässlich des 25. Jahrestages der Wiederkehr der Katastrophe in ganz Deutschland gezeigt werden. Die Ausstellung heißt „Gebrochene Biografien – Verlorene Orte“.

INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB

Infoabend zur laufenden Ausstellung „Die vergessenen Retter Europas“, 19 Uhr, Arbeitnehmerkammer