AUF WOHNUNGSSUCHE (7)
: Alles beim Alten

Die Wildenbruch sollte die Grenze sein

Es war der siebte Tag der Woche, und ich stand ein weiteres Mal an der Bushaltestelle am Hermannplatz, um eine Straße auf dem zu kleinen Stadtplan auszumachen. Ein weiteres Mal. Ich hatte schon zwei-, dreimal hier gestanden und versucht, irgendwelche Straßen südlich der Wildenbruch auszumachen. Aber die Wildenbruch sollte die Grenze sein. Ich war unsagbar müde, der Bus war weg, und zu Fuß war es zu weit. Was mache ich mir hier vor, dachte ich. Das Geld wächst immer noch nicht auf Bäumen, die guten Wohnungen werden an die Kinder reicher Eltern verteilt, und zuhause lässt man mich nicht gehen. Charmeoffensiven und Psychodruck, und ein Keller voller Holz, und eigentlich war alles gar nicht so schlimm. Ich war nur einfach in eine Krise geraten. In die Midlife-Krise.

Ich dachte an meinen 20. Geburtstag und daran, wie ich auf das Stück von Faith No More getanzt hatte und dabei an meine Mutter gedacht, die damals so alt war wie ich heute. Midlife Crisis. Ich dachte an die unerreichbaren Schönheiten, die sich damals noch in den Bäuchen ihrer Mütter befanden. Ich dachte an die schwarzen Wolken, die mich seit Wochen begleiteten und schon einige dieser sinnlosen Wohnungsbesichtigungstermine erledigt hatten. Ein andermal, dachte ich. Ich schaute einem älteren Mann ins Gesicht und dachte: ein andermal. Der Mann räusperte sich und grinste plötzlich unvermittelt. Dann schob sich ein junger Mann ins Bild, der ein einzelnes Rad trug. Durch die Speichen konnte ich sehen, dass der ältere Mann immer noch grinste. Ich sah zu, dass ich nach Hause kam. Irgendwie fühlte ich mich auch erleichtert. Und aufgeschoben war nicht aufgehoben. Abends schaute ich mir das Faith-No-More-Video im Netz an und fand es reichlich albern. Obwohl, die Kreuzsymbolik und das Martialische in den Gesten Mike Pattons, ich weiß nicht, das gefällt mir heute irgendwie immer noch. RENÉ HAMANN