WENN ETWAS AUF EINE SPÄTHIPPIEHAFTE WEISE ORDENTLICH IST, WIE MAN FUSSBODENORIENTIERT WOHNT UND WARUM ICH ETWAS NEIDISCH AUF EINEN ALTEN FREUND BIN
: Die Passgenauigkeitsstatistik sagt so Einiges

VON DETLEF KUHLBRODT

Gemächlich trödelte das Wochenende vorbei. Ich schaute Fußball und dann wieder Fußball, während gleichzeitig das Radio lief mit weiteren Fußballreportagen; vor dem Laptop stand Rharbarbarkuchen, dann war es Samstagnachmittag und es klingelte. Ich erwartete niemanden. Die Gegensprechanlage funktionierte nicht. Ich machte den Türoffner auf, ging ins Treppenhaus, um zu gucken, wer mich wohl besuchen würde. Zwei Stimmen hallten im Treppenhaus und kamen langsam näher. Keine Ahnung, wer das war, vielleicht wollten sie ja auch woandershin.

Dann stand plötzlich A. vor mir. Mit einem kleinen Jungen; T., das war sein Sohn. Ich war ganz baff. Wir hatten uns drei Jahre nicht gesehen. Ich hatte eigentlich gedacht, er würde längst nicht mehr hier in der Gegend wohnen.

Die beiden kamen herein. Ein stiller, aufmerksamer Achtjähriger und A. Wir hatten uns in den 90ern kennen gelernt. Er hatte mir das Playstationspielen beigebracht. Einen Sommer lang hatten wir immer in seiner Wohnung gesessen und waren Autorennen gefahren. Oder Science-Fiction-Rennen wie „WIPEOUT“ mit der Musik von „the orb“; in den Anfangszeiten der Playstation war Wipeout das Ding.

Viele Nächte hatten wir Backgammon gespielt, mit komischen Sonderregelungen. Manchmal waren wir zusammen auf Open Airs gewesen, wie der Goa-Party „Voov Experience“ zum Beispiel. Viele Jahre waren wir gut miteinander befreundet gewesen und hatten einander in der Phase seiner Familiengründung aus den Augen verloren. Ich freute mich, die beiden zu sehen, und war gleichzeitig ein bisschen verwirrt und entschuldigte mich wegen der Unordnung. Für den Jungen war das Chaos in meiner Wohnung sicher interessant.

Später am Abend waren wir in A.s Altbauwohnung. Sein Einrichtungsstil hatte sich kaum geändert; alles war sehr ordentlich auf eine späthippiehafte Weise. Im Schneidersitz saß man auf dem Futon. Es gab keine Bücher, er hatte nie Bücher gehabt. Die Dielen waren abgeschliffen. Das Hippiehafte war etwas zurückgefahren; es gab keine Poster mehr mit indischen Göttern oder Plakate irgendwelcher Trancefestivals. Statt Goatrance lief nun „Sitting on top of the bay“ von Otis Redding oder Café de Mare.

Ich fühlte mich wohl. Obgleich ich es viel besser finde, auf dem Boden zu sitzen, hatte ich mich selber nie so eingerichtet und kenne auch kaum Leute, die fußbodenorientiert wohnen.

Während sein Sohn an der Playstation spielte, saßen wir in der Küche und erzählten uns die letzten Jahre. Die Wände waren irgendwie rosaorange angestrichen. Ein Farbton, der geschrieben weniger angenehm klingt, als es in Wirklichkeit war. Das Essen war irgendetwas Gesundes – A. achtete auf solche Sachen.

Sohn T. war noch aufgedreht, weil er Dortmund-Fan ist und Dortmund bekanntlich gegen Bayern München gewonnen hatte. Er spielte als Dortmund auf der Playstation, und weil er schon so lange gespielt hatte, verlor er dann. Ich freute mich über die redundanten Spielkommentare von FIFA 14 wie „die Passgenauigkeitsstatistik sagt so Einiges“.

Bevor T. dann ins Bett musste, durfte er noch zugucken, wie A. und ich zockten. Der Sohn war für meine Mannschaft. „Warum wünschst du dir, dass Detlef gewinnt?“ – „Weil er viel seltener hier ist als du.“ Keine Ahnung, wer dann gewann. Während T. schon im Bett lag, fuhren wir Autorennen wie einst – bis in den frühen Morgen. Ich war ganz begeistert von A.s LED-Fernseher, der viel bessere Bilder lieferte als meiner. A., der die letzten Jahre nicht mehr Playstation gespielt hatte, gewann fast jedes Rennen.