Punkt für Stockholm

RÜSTUNG Der schwedische Staat streitet mit dem ThyssenKrupp-Konzern um den U-Boot-Markt

STOCKHOLM taz | Es hätte eine Szene aus einem Spionageroman sein können: Assistiert von bewaffneten Soldaten fuhren vergangene Woche schwedische Militär-Lkws vor der Forschungsabteilung der Kockums-Werft in Malmö vor, um dort geheime Bauteile für U-Boote „sicherzustellen“. Gegen den Willen des Werfteigentümers, einer Tochter des deutschen ThyssenKrupp-Konzerns, der laut Medieninformationen deshalb sogar die Polizei alarmierte.

Die spektakuläre Aktion war der vorläufige Höhepunkt eines Streits, der in vielen schwedischen Medien schon seit Längerem unter dem Signum „U-Boot-Krieg“ läuft. Es geht um die Vorherrschaft auf einem äußerst einträglichen Sektor des internationalen Waffengeschäfts: dem der konventionellen U-Boote.

Kein neuer Deal

ThyssenKrupp Marine System (TKMS), hier derzeit weltweit am stärksten im Geschäft, war 2005 durch den Erwerb der Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) auch Eigentümer der schwedischen Marinewerft Kockums geworden. War Schweden bis dahin hinter Russland und Deutschland drittgrößter U-Boot-Exporteur, konnte seither kein einziger neuer Deal mehr abgeschlossen werden. Offenbar war es TKMS mit Sitz in Hamburg weniger um die schwedische Produktionskapazität als vielmehr um das dortige Know-how und darum gegangen, den letzten verbliebenen westlichen Konkurrenten auf diesem Markt auszuschalten.

Was Stockholm natürlich gar nicht gefällt. Es ist ein Überbleibsel aus Neutralitätszeiten, dass Schweden überhaupt eine eigene größere Rüstungsindustrie besitzt. Überlebensfähig ist die nur, solange sie genügend Exportaufträge bekommt. Man bot ThyssenKrupp daher einen Rückkauf an, um die Werft wieder in eigene Regie zu bekommen. Was der deutsche Konzern aber strikt ablehnte. Um den Druck zu erhöhen und Kockums regelrecht auszuhungern, kündigte die schwedische Marine vor einigen Wochen TKMS den schon sicheren Auftrag für den Bau neuer U-Boote. Damit würde die Werft ab Sommer im Grunde ohne Beschäftigung dastehen.

Den Neubauauftrag erhielt stattdessen der einheimische Saab-Konzern. Der hat zwar bislang vorwiegend Jagdflugzeuge produziert und war noch nie im Schiffsbau aktiv, aber gleich begann der TKMS, mit attraktiven Angeboten die Ingenieure abzuwerben. Am Montag knickte ThyssenKrupp ein und unterschrieb mit Saab einen Vorvertrag über den Verkauf seiner gesamten schwedischen Marinesparte. Die Alternative, nämlich in einigen Monaten mit einer beschäftigungslosen Werft ohne Fachpersonal dazusitzen, die dann auch wesentlich weniger wert sein würde, war offenbar nicht verlockend. REINHARD WOLFF