Israels Präsident droht eine Anklage

Die Polizei verdächtigt Moshe Katzav unter anderem der mehrfachen Vergewaltigung. Jetzt muss der Oberstaatsanwalt über die Aufnahme eines Verfahrens gegen ihn entscheiden. Die Rücktrittsforderungen werden unterdessen immer lauter

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Israels Staatspräsident Moshe Katzav steckt in Schwierigkeiten. Nicht genug, dass ihm sexuelle Nötigung vorgeworfen wurde, nun rät die Polizei gar zu einem Verfahren wegen Vergewaltigung in mehreren Fällen und Korruption. Bis gestern Morgen hatte Katzav fest geplant, bei der Eröffnungszeremonie für die Wintersitzungsperiode des israelischen Parlaments, der Knesset, zu erscheinen. Dann sagte er wenige Stunden vorher seine Teilnahme ab, „zutiefst erstaunt“ über die polizeilichen Empfehlungen, wie es in einer offiziellen Stellungnahme heißt.

Der polizeiliche Untersuchungsbericht hätte schärfer kaum ausfallen können. Es seien „ausreichende Beweise vorhanden“, heißt es, „um davon auszugehen, dass der Präsident mehrere Vergewaltigungsakte unternommen hat“. Die Untersuchungsergebnisse der Polizei deuten ferner auf „sexuelle Belästigung und Nötigung“ hin sowie auf Veruntreuung staatlicher Gelder, mit denen Katzav private Geschenke erstanden haben soll, und illegale Abhörmanöver.

Der Präsident streitet alle Vorwürfe ab. „Wir hegen keinen Zweifel an seiner Unschuld“, beteuert sein Bruder Lior Katzav seit Tagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Medien gegenüber. Der Präsident sei „Opfer einer Intrige politischer Gegner“. Kein einziger der ihm angelasteten Vergehen sei begründet. Schweigen bewahrt die Familie vorläufig über konkrete Namen potenzieller Intriganten. Andeutungsweise klingt heraus, dass sie in den Reihen des Likud vermutet werden, der politischen Heimat Katzavs.

Die Affäre kam Mitte Juli an die Öffentlichkeit. Gerade hatte der israelische Libanon-Feldzug begonnen. Ausgangspunkt für die Untersuchungsbeamten, die Dokumente und Computer beschlagnahmten, war die Zeugenaussage zunächst einer Mitarbeiterin im Präsidentenbüro, die anschließend, wie sie erklärte, Bedrohungs- und Bestechungsversuchen der Familie Katzav ausgesetzt gewesen sei. In den Folgewochen meldeten sich insgesamt zehn Frauen mit ähnlichen Geschichten, wobei sich die Polizei bei ihrer Empfehlung, ein Verfahren zu eröffnen, nur auf fünf Fälle stützt.

Katzav verweigerte sich den dringlichen Aufrufen von Politikern, die sich zunehmend von ihm distanzierten, zumindest eine befristete Beurlaubung zu beantragen. Stattdessen sprach er von einem „öffentlichen Standgericht ohne jede Grundlage“. Um ihn zum Rücktritt zu zwingen, wäre eine Dreiviertelmehrheit der Abgeordneten notwendig. Katzav hatte im Sommer 2000 überraschend die Wahl gegen den früheren Premierminister Schimon Peres gewonnen und war vom Parlament für eine Präsidentschaftsperiode von sieben Jahren gewählt worden.

Die Funktion des israelischen Präsidenten ist vor allem repräsentativer Art. Im Anschluss an Parlamentswahlen beauftragt der Präsident den Chef der stärksten Partei mit der Bildung der Regierung. Er hat zudem die Befugnis, Begnadigungen zu gewähren.

Oberstaatsanwalt Menachem Masus ist nun aufgerufen, über ein eventuelles Verfahren gegen den Präsidenten zu entscheiden, was vermutlich innerhalb der kommenden drei bis vier Wochen passiert. In Polizeireihen wird fest damit gerechnet, dass Masus einem Prozess zustimmen wird. Nach Aussagen sei- nes Anwalts will der Präsident von seinem Amt zurücktreten, sobald ein Verfahren gegen ihn angestrebt wird. Damit würde eine Aufhebung seiner Immunität durch die Abgeordneten überflüssig. Überführten Vergewaltigungstätern droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 16 Jahren.