Investoren kommen aus Süden

Firmen aus Entwicklungsländern wie Indien oder Brasilien investieren mittlerweile weltweit 117 Milliarden US-Dollar. Das kann auch den Ärmsten helfen, heißt es bei der UN

BERLIN taz ■ Der indische Stahlkonzern Mittal kauft seinen europäischen Konkurrenten auf, über die Jobs von früheren Siemens-Mitarbeitern wird in der BenQ-Zentrale in Taipeh entschieden. Zwei Beispiele für einen weltweiten Trend: Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern werden international ein „immer wichtigerer Faktor“, sagt Anne Miroux von der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (Unctad). Die Organisation hat gestern ihren „World Investment Report“ vorgelegt.

Der jährlich erscheinende Bericht beschreibt die weltweiten Investionen von Unternehmen in jeweils anderen Ländern. 916 Milliarden Euro sind danach 2005 rund um den Globus geflossen – knapp 30 Prozent mehr als noch 2004. Weit über die Hälfte der Summe, 542 Milliarden Euro, wurden in den Industrieländern investiert, 334 Milliarden in Entwicklungsländern.

In ihrem Report legt Unctad diesmal besonderes Augenmerk auf die multinationalen Konzerne in Brasilien, Indien, China und anderen Länder des Südens, die zunehmende Bedeutung für die Weltwirtschaft haben. 47 der 500 umsatzstärksten Firmen weltweit stammen mittlerweile aus den so genannten Entwicklungs- und Transformationsländern, 1990 waren es nur 19.

Insgesamt 117 Milliarden US-Dollar haben Firmen aus Entwicklungsländern 2005 im Ausland investiert. Eine Reihe von Unternehmen aus Entwicklungsländern würde zu „wesentlichen Akteuren“ auf der Weltbühne, sagt Miroux. Dies stelle nicht nur einen „tief greifenden Wandel in der globalen Wirtschaft“ dar, sondern sei auch eine Tatsache, auf die die Entwicklungspolitik Rücksicht nehmen müsse.

Denn neue Mitspieler auf dem Weltmarkt investieren auch zunehmend in anderen Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Summe der direkten Investitionen zwischen den Ländern des Südens lag 2004 bei 60 Milliarden US-Dollar, dreißigmal höher als noch 1985. Unctad hält diese Entwicklung für positiv. Denn einerseits falle es den Empfängern leichter, Investitionen aus ähnlich strukturierten Volkswirtschaften zu bekommen. Zum anderen sei der technologische Abstand zwischen Investoren und Empfängern beim Süd-Süd-Transfer in der Regel geringer als bei Firmen aus Industriestaaten. So könnte die Erfahrungen aus dem Investment leichter in die lokale Wirtschaft übernommen werden. Diese Form der Kooperationen müsse verbessert werden, um die Entwicklungsziele voranzutreiben, heißt es bei der UN.

Allerdings gibt es auch mahnende Stimmen. „Es kann nicht nur um die Quantität der Investitionen gehen“, sagte Ingeborg Wick vom Südwind-Institut der taz. So sei auch bei Investoren aus dem Süden problematisch, wenn sie schlecht bezahlte oder ökologisch bedenkliche Jobs ins ärmere Ausland verlagern. Würden hingegen arbeitsintensive und zukunftsträchtige Branchen, wie die Produktion von Solarzellen, gestärkt, könnten ausländische Investitionen einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. STEPHAN KOSCH