„Näher an der Werft“

RUNDGANG Am Sonntag führt Raimund Gaebelein zu den Spuren jüdischen Lebens in Gröpelingen

■ 63, ist Landesvorsitzender der VVN-BdA Bremen. Foto: Jakob

taz: Herr Gaebelein, das jüdische Altenheim ist bekannt. War Gröpelingen darüber hinaus ein Zentrum des jüdischen Lebens in Bremen?

Raimund Gaebelein: Nicht in dem Umfang wie Walle. Gröpelingen war von Werftarbeitern dominiert, in Walle hingegen wurde mehr Handel getrieben. Mit Hermann Littmann gab es aber auch in Gröpelingen einen jüdischen Fischhändler, zu dessen Haus in der heutigen Johann-Kühn-Straße wir beispielsweise gehen. Die Littmanns hatten einen Heringsgroßhandel samt Räucherei, Marinieranstalt und Grünhökerladen. 1938 wurden sie nach Ostgalizien ausgewiesen. Zwei der Söhne hatten zuvor nach Philadelphia emigrieren können, doch die Eltern Littmann und eine ihrer Töchter kamen nach der Besetzung Ost-Galiziens ums Leben. Hermann Littmann wurde auf dem Weg zu einem Deportationszug erschlagen.

In Gröpelingen besuchen Sie den Schützenhof. Welche Bedeutung hatte der?

Der Schützenhof wurde 1940 beschlagnahmt, nachdem die Schützengilde von 1904 in entsprechende NS-Verbände überführt worden war. Dann wurden dort vier Baracken errichtet, in die man zunächst indische Seeleute sperrte. Anschließend wurden im Schützenhof sieben Sinti-Familien interniert, die dann ins polnische Belzec deportiert wurden. Dort mussten sie Baracken bauen und Stacheldrahtzäune für das spätere Vernichtungslager Belzec ziehen.

Was hat die AG Weser mit dem Schützenhof zu tun?

Nach der Deportation der Sinti wurde der Schützenhof zum Außenlager des KZ Neuengamme. Dadurch konnten die AG Weser-Zwangsarbeiter, die zuvor in Blumenthal eingesperrt waren, näher am Werftgelände untergebracht werden. Sie montierten beispielsweise Motorteile von U-Boot-Antrieben. Der Schützenhof war ein KZ für politische Gefangene, der größte Teil von ihnen war jedoch jüdischer Herkunft. Von den 267 Häftlingen, die hier innerhalb von etwas über drei Monaten starben, waren vor allem Juden aus Ungarn und Polen.

Interview: HENNING BLEYL

Rundgang: Sonntag, 11 Uhr, ab Bromerbergerstraße 117 (Schützenhof)