Das hätte Darwin nicht gewollt

GROSSE TIERE Der neue Zoochef Andreas Knieriem führte SPD-Fraktionschef Raed Saleh durch den Tierpark – und teilt gegen seinen Vorgänger Blaskiewitz aus. Ihm selbst schwebt das Modell eines „Geo-Zoos“ vor

Wie um Darwins willen sieht’s denn hier aus? Wer länger nicht im Tierpark Friedrichsfelde war, erschrickt angesichts der Schäbigkeit, mit der sich der Haupteingang Besuchern entgegenstellt. Mürber Beton unter blasser Farbe, auf der die Witterung schwärzliche Schlieren hinterlassen hat. Das „Bärenfenster“ nebenan ist mit seiner Rundumverglasung etwas moderner, nur von den Bären sieht man nicht so viel, weil die mit ihren Tatzen die Scheiben verschmiert haben und am Dienstagmorgen die Sonne draufknallt.

Immerhin ist das Wetter bombastisch, das freut den frischgebackenen Zoochef Andreas Knieriem und seinen Gast Raed Saleh. Der SPD-Fraktionschef ist zum Rundgang eingeladen, nicht von ungefähr, denn seit einiger Zeit geriert er sich als Freund und Förderer des Ost-Tierparks. Unter anderem ihm zu verdanken war die jüngste Finanzspritze von 5 Millionen Euro – darauf und auf den „Tierparkdialog“ mit Anwohnern, den die SPD angeleiert habe, weist er hin, noch bevor das erste Dutzend Tiere gesehen ist.

Weil das Gelände so weitläufig ist, dauert das ohnehin eine Weile, und weil es im Gegensatz zum Westpendant so wenige Besucher hat, haben Knieriem, Saleh, sein Fraktionskollege Ole Kreins und der Journalistenpulk den Park mit seinen mächtigen, frisch ergrünten Bäumen fast für sich allein – von den Bewohnern natürlich abgesehen.

Der Zoochef in der dunkelblau wattierten Barbour-Jacke – offenbar sein Markenzeichen – ist ein angenehmer Mensch mit geschliffener Sprache, genau das Gegenteil seines Vorgängers Bernhard Blaszkiewitz, wie manche sagen, die beide kennen. „Es muss schon erlaubt sein zu fragen, was nicht in Ordnung war in den letzten Jahren“, schickt Knieriem voraus und bohrt dann den Finger tief in die Wunden: Sehen Sie hier, sagt er, ein Eingangsbereich ohne Dach, oder hier, alles windschief und ungepflegt, hier fehlen didaktische Texte und hier stehen zu viele Zäune.

Standard der 50er Jahre

Auch der Laie sieht schnell, dass Blaszkiewitz der Tierpark ziemlich wurst gewesen sein muss – und moderne Zoogestaltung ebenso. Im Raubtierhaus herrscht der Standard der 50er Jahre, der Tiger dreht stumpf seine Runden durch den gefliesten Käfig. „Fragen Sie sich selbst“, empfiehlt der Neue, „was Sie bei diesem Anblick empfinden: Faszination oder Mitleid?“ Und auf der Basis von Mitleid könne ein moderner Zoo nun mal seinen Bildungsauftrag nicht erfüllen.

Man werde jetzt Konzepte entwickeln, vielleicht einen nach Kontinenten geordneten „Geo-Zoo“, wo Tiger, Löwe und Jaguar nicht mehr unter einem Dach hausen müssen: „Die sind ja auch olfaktorisch durchaus prominent.“ – „Keine Denkverbote“, will Knieriem, und es ist so etwas wie das Wort des Tages, das Raed Saleh wie ein Mantra wiederholt.

Der SPD-Mann hatte ja auch die Idee, die Bäderbetriebe könnten ein neues Spaßbad am Tierpark errichten. Heute vertieft er seinen Vorschlag mit praktischen Argumenten: „Jeder weiß doch, wie es ist, wenn man mit Kindern unterwegs ist. Dann ist es zwei Stunden trocken, dann regnet es und dann ist es wieder trocken. Da kann man doch zwischendurch ins Schwimmbad gehen!“ CLAUDIUS PRÖSSER