Bergleute des Underground

Die russische Band „Markscheider Kunst“ stellt im Bochumer Kulturbahnhof bereits ihre elfte CD vor

„Markscheider Kunst“ ist ein ungewöhnlicher Name für eine russische Band mit afrikanischem Sänger. Markscheider ist ein altes Wort für einen amtlich zugelassenen, akademischen Bergbauingenieur. Allerdings macht der Name hier Sinn, alle Musiker sind ehemalige Bergbau-Studenten. Seit 1993 bereichert diese multinationale Kapelle die kulturelle Vielfalt der Welt, weit entfernt aber vom Label Weltmusik. Mit ihrer wilden Mischung aus Ska, Reggae, Latinorhythmen und Afrobeat spielten sich die St. Petersburger nicht nur in die Herzen der Russen. Gesungen wird in einem babylonischen Sprachgewirr aus Russisch, Kisuaheli, Lingala, Französisch und Englisch. „Die beste Party der Stadt“, heißt es im ehemaligen Leningrad, wenn die Markscheider zum Tanz aufspielen. In der nördlichsten Millionenstadt gibt es immer noch eine pulsierende Underground-Szene. Die aufwändigen 300-Jahrfeiern haben sie 2003 allerdings absichtlich verpasst – niemand wollte einen Auftritt ordentlich bezahlen.

Anfang der 1990er versuchte Bandleader Jefr noch mit Cousin Kira und zwei Freunden den Ska auf Russisch zu kreieren, während Seraphin – der singende Student aus dem ehemaligen Zaire – mit ein paar afrikanischen Hobbymusikern durch die Szeneclubs tingelte. Man lernte sich am Petersburger Bergbauinstitut kennen, wo sie alle eigentlich Ingenieure werden wollten. Doch die Liebe zur „Rasta-Musik“ war stärker als die Vermessungslehre. Mit dem Bergbau verbindet die Band nur noch der Name und – wie sie selbst sagen – „die harte Arbeit unter Tage“. Sie sehen sich als „Bergleute“ des russischen Underground, die vor Grenzen nicht zurückschrecken.

Ihr erstes Album haben die Markscheider 1998 herausgebracht. Vier Jahre nachdem sie es aufgenommen hatten. Die CD kostete in Russland umgerechnet nur drei Euro. Mehr konnten sie bei 15 Euro Mindestlohn damals einfach nicht verlangen. Und die zahlreichen Raubkopien verhinderten dann schnell einen höheren Preis. Inzwischen können die musizierenden Bergleute von ihrer Musik aber leben. Sie präsentieren bei Konzerten und Festivals in Finnland, Deutschland und der Schweiz ihre neue, bereits elfte CD „Ryba“. Die ist, wie ihre anderen auch, in den meisten Plattenläden nicht erhältlich, doch als geschäftstüchtige Russen haben die Markscheider natürlich immer welche dabei. PEL

Do, 19.10. 2006, 20:45 UhrBahnhof Langendreer, BochumInfos: 0234-6871610