Bauboom auf Sparflamme

Die Baubranche meldet Umsatzzuwächse, einzelne Baustoffe werden knapp – von einer nachhaltigen Erholung der krisengeschüttelten Branche kann bisher aber nicht gesprochen werden. Der Zuwachs ist noch nicht stabil genug

Jahrelang klagten die Bauunternehmen in Hamburg über rückläufige Umsätze, doch jetzt sind die Auftragsbücher voll. „Die Firmen verdienen erstmals seit langem wieder Geld“, sagt Michael Seitz, Geschäftsführer des Norddeutschen Baugewerbeverbandes. Ähnliches gilt für die Baustoffwirtschaft. Hier muss bei einzelnen Produkten mit Lieferengpässen gerechnet werden. Auf der anderen Seite kann von „echten Engpässen und einer nachhaltigen Aufwärtsentwicklung in der Bauwirtschaft bisher nicht gesprochen werden“, sagt Seitz.

Die Gründe für die positive Entwicklung lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die absehbare Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte ab 1. Januar 2007 treibt viele Bauherren dazu, noch in diesem Jahr die Handwerker kommen zu lassen. Daneben verschafft auch die „allgemeine anspringende Konjunktur“ der Baubranche mehr Aufträge, sagt Seitz. In Hamburg spielen außerdem große Bauprojekte wie die Hafen-City eine wichtige Rolle für mehr Beschäftigung auf dem Bau.

Jetzt wirkt sich auch aus, dass innerhalb der Bauwirtschaft in den letzten Jahre massiv Arbeitsplätze abgebaut wurden. Arbeiteten 1995 noch rund 22.000 Menschen auf Hamburgs Baustellen, so waren es im ersten Halbjahr diesen Jahres laut dem Norddeutschem Baugewerbeverband nur noch durschnittlich 8.200 Menschen.

Zunehmend müssen mehr Subunternehmer aus der weiteren Umgebung angestellt werden. „Die kommen sogar von der Müritz hier hoch“, sagt Seitz. Besonders beim Gerüst- und Betonbau kann die Nachfrage kaum befriedigt werden. Die Unternehmen suchen jetzt dringend nach Fachkräften. Bei der Arbeitsagentur Hamburg waren im September 2.339 offene Stellen im Bauhaupt- und Nebengewerbe gemeldet, Das entspricht einem Zuwachs von 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Folge der Entwicklung: Die Kunden müssen für Bauarbeiten zunehmend tiefer in die Tasche greifen.

Gleiches gilt für manche Baustoffe. Die wachsende Nachfrage macht auch die Baustoffe teurer: laut Angaben des Verbandes Norddeutscher Baustoffhändler musste für Baumaterialien im Septemeber bereits um drei bis fünf Prozent mehr auf den Tisch gelegt werden. Bestimmte „Isolierungs- und Dämmmaterialien sind dieses Jahr nicht mehr lieferbar“, sagt Wolfgang Dehling, Verkaufsleiter der Firma Lüchau Baustoffe in Hamburg. Auch bei Dachziegeln kann es eng werden. Die Baustoffbranche profitiert somit vom hohen Preis für Heizöl und Gas, der anscheinend die Energiesparbemühungen der Hamburger beflügelt. Von einem langfristigen Boom in seiner Branche will aber auch Verkaufsleiter Dehling noch nicht sprechen.

Ob die rund zehn Jahre andauernde Krise in der deutschen Bauwirtschaft nun langfristig zu Ende geht, steht noch nicht fest. Michael Seitz hofft erstmal, dass ein zu erwartender Konjunkturabschwung Anfang 2007 die Baubranche in Hamburg nicht gleich wieder „in die Tiefe reißt“. NILS NABER