Post von der Super-Nanny

„Alle Fische wollen bumsen. Nur nicht Flipper, der hat Tripper.“ Derartige Denkanstöße bekommen Bremer Eltern künftig per Postkarte. Schließlich mangelt es an Kommunikation mit den Kindern

VON HENNING BLEYL

Machen Sie doch mal eine Schweigediskussion: Alle sitzen um ein großes Blatt Papier herum, haben einen Stift in der Hand und kriegen sich über ein strittiges Thema ordentlich in die Köppe – rein schriftlich. Die „Suchtprävention Bremen“ ist der Meinung, dass das so mancher Familie mal gut täte, und verschickt die entsprechende Spielanweisung als Postkarte – zusammen mit 79 anderen „Impulsen zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen“.

Das EU-geförderte Projekt versteht sich als maximal niedrigschwellige Erziehungshilfe. Pädagogische Vortragsreihen und Elterntrainings werden in der Regel schlecht besucht. „Es will ja niemand zugeben, wenn er mit seinen Kindern Probleme hat“, ist die Erfahrung von Liane Adam von der Suchtprävention. Also hat sie mit ihren KollegInnen ein buntes Durcheinander von Aktions-, Info- und Storykarten erarbeitet. Da gibt es grafisch geschickt gesetzte Slogans wie „ein bisschen mehr Reality und weniger TV“ oder einfache väterorientierte Merksätze à la „Die KlassenlehrerInnen laden ein zum Elternabend, nicht zur Mütterrunde.“ Die Themen und deren Bearbeitung entstanden im Rahmen der „Werkstatt für kreative Elternarbeit“, die außer in Bremen auch in Bozen und Wien durchgeführt wurde. Das Produkt nennen die MacherInnen „eine Art Kochbuch für Familie“.

Funktioniert Erziehung auf Rezept? „Die Fachleute sagen nein“, gibt Adams Kollegin Margrit Hasselmann zu – schließlich sei jede familiäre Situation verschieden. Nichtsdestotrotz zeige die Erfahrung zahlreicher Elternseminare, dass das Bedürfnis nach allgemeinen Anregungen und Tipps immens sei.

In der Tat ist die RTL-„Super Nanny“, die ebenso patent wie resolut sicheren Rat in völlig verfahrenen Familiensituationen gibt, ein sicherer Quotenbringer. „Allerdings lehnen sich dabei viele zurück und sagen: So schlimm wie bei denen ist es bei uns doch gar nicht“, sagt Hasselmann. In Gegensatz zu einer solchen „Schlüsselloch-Pädagogik“ könnten die Karten als konkrete „Rede- und Denkanlässe“ dienen.

12 Themenschwerpunkte zwischen Identität, Kommunikation, Konsum und Sucht sind mit jeweils einem Kartenset vertreten. Das Statement „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“ verweist dabei allerdings nicht auf die elterliche Suchtproblematik, sondern legt nahe, gelegentlich einen Elternstammtisch zu besuchen. „Netzkarten“ verweisen auf weiterführende Hilfsangebote, eine Karte enthält die Idee, gelegentlich einen „Verhaltensvertrag“ zwischen Eltern und Kindern niederzuschreiben, um die wechselseitigen Erwartungen klar zu formulieren. Frei nach dem Motto: „Von WGs lernen, heißt erziehen lernen“ wird ferner angeregt, ein „Familienbriefbuch“ einzuführen, das in der Küche für Mitteilungen bereit liegt.

„Alle Fische wollen bumsen. Nur nicht Flipper, der hat Tripper“ – das Thema Sexualität darf natürlich nicht fehlen, mit der Karte „Resteficken, Rudelbumsen und Komasaufen – verstehen Sie überhaupt, wovon die Jugendlichen reden?“ geht es weiter zur Sache. Gelegentlich gibt’s auch ein kleines Rechenbeispiel: „Wer ein Jahr lang täglich eine Schachtel Zigaretten raucht, bezahlt dafür 1.350,50 Euro. Zum Vergleich: Laptop – 1.000 Euro, Gitarre – 500 Euro.“

Bis in die Unicard-Ständer der Bremer Kneipenszene haben es die Bremer Erziehungsbotschaften noch nicht geschafft. „Das System ist aber ausbaufähig“, versichert Hasselmann. Nicht zuletzt mit Blick auf Eltern aus Migrationsfamilien soll das Angebot beständig weiter entwickelt werden.