: Der unsichtbare Schmierstoff
FETT Palmöl steckt in den verschiedensten Produkten. Viel davon stammt aus Malaysia und hat derzeit kein gutes Image. Dafür aber einen Lobbyisten
■ Die Herstellung: Palmöl wird aus den ausgepressten Früchten der Ölpalme gewonnen. Aus den gemahlenen Palmkernen kann außerdem festes Fett gepresst werden. 90 Prozent des Öls stammen aus Malaysia und Indonesien.
■ Die Verwendung: Palmöl wird vor allem in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. Meist wird es auf Verpackungen nicht gesondert aufgelistet, ist aber etwa in Margarinen, Keksen, Süßigkeiten und Fertiggerichten enthalten. Außerdem kommt es in Kosmetika und Reinigungsmitteln vor und kann auch Biodiesel zugesetzt werden. Die größten Abnehmer von Palmöl sind in Europa und Asien.
■ Die Chance: Weil Palmöl ein nachwachsender Rohstoff ist, galt es einst als grüne Sache.
■ Die Kritik: In Indonesien und Malaysia wird die Ölpalme in Plantagenwirtschaft angebaut, für die laut Studien der UN Millionen Hektar Regenwaldflächen abgeholzt wurden. Durch Brandrodungen wurden außerdem große Mengen CO2 freigesetzt. Die Organisationen Greenpeace und Rettet den Regenwald kritisieren auch die ersten Ergebnisse eines runden Tisches für nachhaltiges Palmöl als Greenwashing. Die Regelungen seien zu lasch und Anbau in großen Monokulturen könne grundsätzlich nicht nachhaltig sein.
VON TOBIAS ROMBERG
Am ehesten würde man es noch in der Rama-Margarine vermuten. Aber im Joghurt von Danone? In der Kerze von Ikea? Meist wird Palmöl nur als Pflanzenöl oder Pflanzenfett ausgewiesen. Vor einiger Zeit nun soll Aldi Süd seine Geschäftspartner gebeten haben, Produkte, die das Öl beinhalten, aufzulisten. Es ging dabei allerdings nicht darum, dem versteckten Stoff endlich zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Im Gegenteil: Aldi Süd wollte das Palmöl eventuell ersetzen.
Denn so rasant der Markt für den Rohstoff wächst, so sehr mehrt sich die Kritik. Dass die Konsumenten in Europa kritischer geworden sind, stellte Nestlé vor einigen Monaten fest, als es sich gezwungen sah, den Palmöl-Lieferanten zu wechseln. Die Produktion des Öls zerstöre Regenwälder und vertreibe die indigene Bevölkerung, beklagen Umweltorganisationen.
Neun Auslandsbüros
137 Millionen Tonnen Pflanzenöle werden jährlich hergestellt. Palmöl ist weltweit das meistproduzierte dieser Öle, noch vor Soja- und Rapsöl. Zwei Länder dominieren den Markt: Indonesien und Malaysia. Sie produzieren fast 90 Prozent allen Palmöls.
Weil nicht nur Aldi Süd und Nestlé jüngst sehr vorsichtig geworden sind, haben die Produzenten des malaysischen Palmöls jetzt sogar einen Lobbyisten in Deutschland. Florian Boenigk, der für eine PR-Agentur arbeitet und für die SPD aktiv ist, hat eine schwierige Mission: Er soll das Image des Palmöls aufpolieren.
Deshalb führt der Lobbyist nun Journalisten durch Malaysia. Er bittet in die Zentrale des Verbands der Palmölproduzenten. In einer Glasvitrine im Foyer stehen die Palmöl-Margarine Smart Balance Omega und das Putzmittel Palm Touch. Es gebe schwarze Schafe, sagt er, die seien aber überwiegend in Indonesien. Boenigk preist die vielseitige Palme: Öl aus den Früchten, aus den Kernen, Biomasse aus Hülsen und Abfällen. Der Verband wird bald sein neuntes Auslandsbüro eröffnen, in Moskau. Man fühlt sich von der Raps- und Sojaöl-Lobby bedroht. Und wehrt sich entsprechend.
Zu den Waffen im Kampf um die Ölabsatzmärkte zählen die positiven Beispiele: Der dänische Plantagenherr Carl Bek-Nielsen vom Unternehmen United Plantations etwa baut Krankenhäuser für seine Arbeiter und Biogasanlagen für die Umwelt. Er lässt in Laboren forschen, um die Produktivität der Ölpalme zu erhöhen. Damit sie nicht noch weiter in die Fläche gehen müssen. Malaysia, so soll wohl der Ausflug auf seine Plantage zeigen, hat erkannt, dass in den vergangenen Jahren ein Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist. Nämlich das von Ökologie und Ökonomie. Bek-Nielsen hat das auch erkannt. Und er hat erkannt, dass es ein Interesse an nachhaltig produziertem Palmöl gibt. Gerade weil es in letzter Zeit diese Negativberichte gab: nicht nur über den für Plantagen abgeholzten Regenwald, sondern auch über die schlechte CO2-Bilanz des Öl.
Den Vorsitzenden des Verbandes der malaysischen Palmölproduzenten, Yusof Basiron, regt das auf. Er gibt Umweltorganisationen wie Greenpeace die Schuld: „Sie machen ihre übertriebenen Kampagnen nur für das eigene Fundraising“, sagt er. Basiron zeigt Fotos von hungernden Menschen in Afrika und von Orang-Utans und sagt: „Die Menschen sind doch wichtiger.“ Der deutsche Lobbyist Florian Boenigk schaut etwas skeptisch ob dieser Argumentation.
Yusof Basiron verweist stolz auf den malaysischen Weg: Man garantiere doch, 50 Prozent des Landes bewaldet zu lassen. Bei all den Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatten dürfe man nicht vergessen, dass Malaysia noch mitten in seiner Entwicklung stecke. Ein alter Konflikt, zu dem der zuständige malaysische Minister sagt: „Nachhaltigkeit ist wichtig, sollte aber nicht auf Kosten einer Industrie erfolgen, die Arbeitsplätze schafft und Lebensgrundlage der Landbevölkerung ist.“ Das Schicksal von einer Million Malaysiern hänge mittlerweile von der Palmölindustrie ab.
Zertifikat gegen Abholzung
Seit 2003 existiert der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl. Ihm gehören Plantagenbetreiber und Palmölproduzenten an, aber auch Organisationen wie der WWF. Sie haben begonnen, ein Zertifikat für nachhaltiges Palmöl herauszugeben. Ende 2008 lieferte United Plantations, die Firma des Dänen Carl Nielsen-Bek, das erste zertifizierte Palmöl nach Europa. Zu den Kriterien zählen ökologische ebenso wie soziale Standards wie beispielsweise angemessene Arbeitsbedingungen. Allerdings spielt das Einsparen von Treibhausgasen keine Rolle.
Auch deswegen nennen Organisationen wie „Rettet den Regenwald“ das Industriesiegel einen Etikettenschwindel. Laut Greenpeace habe auch der Runde Tisch die Abholzung insbesondere der wertvollen indonesischen Wälder nicht stoppen können. Beteiligt seien auch malaysische Firmen. Für viele Kleinbauern in Malaysia ist das Zertifizierungsverfahren außerdem zu teuer.
Für den deutschen Palmöl-Lobbyisten Florian Boenigk bleibt also vorerst genug Arbeit. Sein Auftrag – die Politur des Schmuddelimages – will nicht richtig klappen.
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