WAS DENKEN SIE GERADE …
: … Güner Balci?

Güner Balci, 35, ist freie Journalistin und Publizistin. Als wir sie anrufen, sitzt sie gerade am Schreibtisch, neben sich ihr krähendes Baby.

Gerade dachte ich: Wenn ich mein Arbeitschaos mal besser in den Griff bekäme, also besser organisiert wäre, dann wäre mein Leben auch insgesamt schöner. Stattdessen habe ich nun drei Filmprojekte auf einmal am Start. Eine Reportage über Menschen, die Berlin-Neukölln auf positive Weise verändern wollen, einen Film über die gestorbene Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig und dann noch einen Dreiminüter für den „RBB-Integrationstag“. Rund um das Thema Integration gibt es ja immer Stoßzeiten, und gerade ist es wieder so weit.

Im Ergebnis bin ich überlastet und komme nicht mehr dazu, mich um meine eigentlichen Herzensthemen zu kümmern. Zum Beispiel das Thema Geschlechterapartheid. Ich lese gerade das Buch „Die Hälfte des Himmels“ von Nicholas D. Kristof und Sheryl WuDunn. In diesem Buch geht es um das Leid, aber auch um die Courage von Frauen in Entwicklungsländern. Stattdessen hänge ich irgendwie immer in Berlin-Kreuzberg beziehungsweise Neukölln fest. Darüber hinaus setze ich mich damit auch noch einem Verdacht von weniger Wohlgesinnten aus, nämlich dem, dass ich nur auf den Türken aus dem „Ghetto“ rumprügele, um damit mein Geld zu verdienen oder meine Bücher besser zu verkaufen.

In Wahrheit mache ich das aber nur, weil sich meine urdeutschen Kollegen leider nicht um diese Themen kümmern. Wenn sie das mit der gleichen Selbstverständlichkeit täten, in der sie sich anderen Themen widmen, dann wäre ich auch nicht so überlastet. Foto: privat