aus der mensa: modefragen von HARALD KELLER
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Neidisch blickt Wabble auf Geierschnabels Teller. Unangekündigt wurde ein appetitlich aussehender, rot geäderter Seefisch unbekannten Namens gereicht, der so köstlich mundet wie er aussieht. „Schmeckt wie eine Nordsee-Brise“, schwärmt Geierschnabel in der unverhohlenen Absicht, die Tischgenossen zu verärgern, denn die haben von den rationierten Happen nichts mehr abgekriegt.

„Den hätte ich auch lieber gehabt als diese Panadenrolle mit eingeschossenem Fischgewebe“, murrt Droll. „Du kannst dich ja an den Backfischen gütlich halten. Das Auge isst bekanntlich mit“, scherzt Strunk und nickt dorthin, wo blutjunge Studentinnen die Sichtachsen kreuzen.

Droll antwortet mit einem bösen Blick, Geierschnabel mit einer Erkenntnis. „Sie haben es wieder geschafft.“ Droll und Strunk verweigern die erwartete Frage, aber Notthoff kann nicht anders. „Wer hat was geschafft?“ Geierschnabel liefert die vorbereitete Erklärung. „Die Modeindustrie. Sie verkaufen wieder halbe Hosen zum Preis von einer Ganzen. Das machen sie in einem gewissen Turnus, nämlich immer, wenn eine neue Generation herangewachsen ist, die man übertölpeln kann.“ Notthoff folgt Geierschnabels Blicken, und es stimmt. Viele der jungen Damen tragen modische Kniebundhosen ohne Bund. „Scheußlich“, kommentiert der emsländische Couture-Spezialist. „Aber geschickt“, doziert Geierschnabel weiter. „Spätestens in einem halben Jahr geht den Kindern auf, wie peinlich ihre Beinkleider aussehen. Das Zeug wandert in die Sammlung und wird durch neues ersetzt. Die billigen Stoffwechsler reiben sich die Hände. Ist euch übrigens schon mal aufgefallen, dass die alle Namen wie Lari & Fari tragen?“ Strunk äußert Skepsis. „Doch wohl eher so was wie ‚Ugly Duck & Cover‘.“ Der Spruch kommt an. „Den solltest du urheberrechtlich schützen lassen“, empfiehlt Wabble.

Hanni und Nanni, eigentlich von Geschlechts wegen prädestiniert für Modefragen, seufzen leise. „Ich glaube, ich brauche mal eine Mensa-Pause“, klagt Hanni. Unvorsichtig von ihr, denn Drolls Zunge ist gespitzt: „Mensa-Pause? Ist das nicht ein anderer Begriff für Wechseljahre?“ Und ergänzt Strunk: „Was Mode angeht, sind Frauen doch ständig in den Wechseljahren.“

Klumpe verdreht die Augen. Verzweifelt versucht er das Gespräch auf Themen zu lenken, die auch ihn interessieren. „Ich habe gestern einen wunderschönen Film gesehen“, meldet er. „Ja, und der war ein Meisterwerk“, nimmt Droll den Schwung aus der Erzählung, denn Klumpes irrlichternde Augen sind ihm eine Warnung. „Zurück zum Thema“, befiehlt der koboldhafte Schelm, und es gelingt ihm, Klumpe zu verwirren. „Welches Thema?“, will der Filmfreund wissen. „Egal“, blafft der kleine Mann mit der Kalle-Wirsch-Frisur, „bloß nicht wunderschöne Filme.“ – „Wir können natürlich in einem fort über Damenmode parlieren.“ Klumpe gibt sich beleidigt, für Strunk kein Grund zur Schonung. „In einem Ford? Warum nicht in einem Opel, VW oder Daihatsu?“ – „Gesundheit!“, kräht Droll. „Weil es doch heißt: Wer Ford fährt, führt.“

„Führe uns nicht in Versuchung“, knurrt Notthoff bedrohlich. „Können wir endlich zum Nachtisch übergehen? Ich muss hier schnellstens raus.“