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: Doofer Betriebsrat

„Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sieht interne „Schwachstellen“ – und plaudert sie aus

Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, ist ein gut aussehender und charmanter Mann. Der wunderbar samtpfötig formulieren kann. Das führt dazu, dass man – bei flüchtiger Lektüre – auch schreckliche Sätze für hinnehmbar halten möchte.

Das gilt zum Beispiel für einige Äußerungen in einem Interview der Schweizer Sonntagszeitung. Giovanni di Lorenzo erklärt darin, er gebe zu, „dass auf die Journalisten meiner Generation ein Betriebsrat vielleicht nicht mehr die Faszination ausübt wie in früheren Zeiten. Das hat auch damit zu tun, dass der Betriebsrat immer Zuflucht für jene Kollegen ist, die das Gros der Redaktion lieber loswerden würde.“

Nein – lieber Giovanni, wie wir im Kollegenkreis zu sagen pflegen – damit hat das gar nichts zu tun. Betriebsräte und diejenigen, die sich an ihn wenden, waren niemals in erster Line dafür da, Hierarchen zu faszinieren. Es ging vielmehr immer und stets um Arbeitnehmerrechte. Und darüber hinaus darum, für den Betriebsfrieden zu sorgen. Der übrigens gelegentlich auch Chefredakteuren nutzt. Dieses große Spielfeld könnte man durchaus faszinierend finden.

Aber es ist gut zu wissen, wen Sie für Loser halten. Ganz bürokratisch gefragt: Haben Sie in Ihrem Anstellungsvertrag eigentlich keinen Passus unterschrieben, der es Ihnen verbietet, Mitglieder Ihrer Redaktion öffentlich zu qualifizieren? Oder über Interna zu plaudern?

Offenbar nicht. Was dem Betriebsrat der Zeit nun wiederum ein reiches Betätigungsfeld öffnet. Der Chefredakteur findet es nämlich durchaus „ein Problem“, langjährigen Kollegen nicht einfach kündigen zu können. Die meisten säßen zwar „zu Recht“ auf ihrem Posten. Aber natürlich gebe es auch „Schwachstellen“, und dann sei die Bindung „ein großes Handicap“. Es sei „nahezu unmöglich“, darauf arbeitsrechtlich zu reagieren. „Wie überall.“ Die Gegenreaktion: verlängerbare Zweijahresverträge.

Giovanni di Lorenzo sagt in dem Interview übrigens auch, dass Die Zeit heute nicht mehr so „linksliberal“ sei wie früher. Da hat er wohl Recht. BETTINA GAUS