Kopfpauschale für die GEZ?

Die Grünen wollen eine Medienabgabe pro Haushalt nach dem Vorbild Frankreichs

VON STEFFEN GRIMBERG

„Bad Pyrmont ist an diesem Sonntag allemal einen Ausflug wert!“ – Es mag am Wetter gelegen haben, dass die für das vergangene Wochenende geplante große Demonstration der Gegner einer Rundfunkgebühr auf Computer und UMTS-Handys durch die beschauliche Kurstadt zu einer eher virtuellen Veranstaltung geriert: Gerade einmal 20 Aufrechte zogen nach Berichten der Lokalpresse zum Rathaus, um 25.000 im Internet gesammelte Protest-Unterschriften abzugeben. Ab heute nun tagen in Pyrmont die Regierungschefs der Länder, um endgültig über den Umgang mit der längst beschlossenen Gebührenpflicht für solche Geräte zu befinden, die die allseits unbeliebte Gebühreneinzugszentrale (GEZ) der öffentlich-rechtlichen Sender „neuartige“ nennt.

Doch längst ist die Sache klar: Der von allen 16 Bundesländern schon 2004 beschlossene „8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“ regelt die Gebühren für die Zeit von 2005 bis 2009 – und schreibt ab 1. Januar 2007 die Bezahlpflicht für Computer oder Handys vor (siehe Kasten). Dies sogar in voller Höhe der TV-Gebühr von aktuell 17,03 Euro pro Monat. Bis Anfang 2007 gilt noch ein Moratorium, ab 2009 muss die Rundfunkgebühr in einem weiteren Verfahren ganz neu festgelegt werden.

Vor allem die Lobbyverbände des Mittelstandes arbeiten seit Monaten gegen diese Regelung an, auch FDP wie Grüne sind gegen die PC-Gebühr. Und spätestens seit dem Sommer regte sich in der Öffentlichkeit breiter Protest – der zumindest bei ARD und ZDF zur Kurskorrektur führte: Weil im Internet derzeit nur Radio, aber noch kaum öffentlich-rechtliches Fernsehen zu empfangen ist, erklärten sich die Sender für die nächsten zwei Jahre mit einem „ermäßigten Satz“ in Höhe der bisherigen Rundfunk-Grundgebühr von 5,52 Euro pro Monat einverstanden.

Geht es nach Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), ist aber auch der nicht akzeptabel. Er will den Sender-Kompromiss in Bad Pyrmont kippen – und kann es sich leisten: Schließlich war er 2004, als der Staatsvertrag geschlossen wurde, nicht im Amt, anders als viele seiner Länder-Kollegen. Die SPD steht „wenn auch zähneknirschend“, wie es in Parteikreisen heißt, hinter dem Pro-PC-Gebühren-Kurs ihres Parteivorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Doch bei der Union geht der Streit quer durch die Staatskanzleien – und verschafft der CDU ein bischen Grassroots-Gefühl: Auf der inoffiziellen Internet-Plattform www.cdu-basis.de haben sich über 3.100 Menschen, darunter nach eigenen Angaben „knapp 600 CDU-Mitglieder“ – bei 560.000 Mitgliedern weit entfernt von einer Massenbewegung – einem Protestbrief in Sachen PC-Gebühr an die Ministerpräsidenten angeschlossen.

Die Argumentation ist dabei stets dieselbe: Ganze vier Prozent der Internet-Nutzer hören nach der Online-Studie von ARD und ZDF im Web auch Radio. Zudem würde die PC-Gebühr vor allem die Unternehmen und Selbständigen treffen, die bislang an ihren Arbeitsplätzen keine Rundfunkgeräte hätten – wohl aber auf Internet-fähige Computer angewiesen sind.

Der gesunde Menschenverstand gebiete es daher, das Moratorium bis 2009 zu verlängern, argumentieren viele. Jetzt voreilig eine PC-Gebühr in Kraft treten zu lassen, sei „zu früh“, sagt auch Carstensen – und stelle zudem „die Akzeptanz des Finanzierungssystems“ für ARD und ZDF „insgesamt in Frage“.

Denn in einem sind sich alle Parteien einig: Die bisherige sogenannte „gerätebezogene Abgabe“, die die GEZ bei denen eintreibt, die – wie es in schönem Amtsdeutsch heißt – „ein Rundfunkgerät zum Empfang bereithalten“ – hat ausgedient. Sie ist durch die Digitalisierung und neue Technik, die mehr ist als bloß ein Radio oder Fernseher, überholt.

Doch die Vorstellungen darüber, was an ihre Stelle treten soll, liegen noch sehr weit auseinander. Bislang haben sich nur die kleinen Oppositionsparteien konkret geäußert. Die Grünen wollen eine Medienabgabe pro Haushalt nach dem Vorbild Frankreichs, für Unternehmen und Freiberufler soll es eine je nach Zahl der Arbeitsplätze gestaffelte Abgabe geben. Da so die Betriebe stärker als bisher zu Kasse gebeten würden, könnte die Summe pro Haushalt sogar „deutlich unter den jetzigen Gebühren“ von rund 17 Euro liegen, sagt die medienpolitische Grünen-Sprecherin Grietje Bettin. Bei der FDP setzt man dagegen auf eine Art Kopfpauschale. Die hätte jeder „erwachsene Bürger mit eigenem Einkommen“ zu entrichten, im Gespräch sind zehn Euro pro Nase und Monat – für den besserverdienenden Singlehaushalt deutlich billiger, für die Kleinfamilie teurer als bisher. CDU und SPD halten sich mit eigenen Vorschlägen bislang höflich zurück. Sie wollen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten, das sich gerade damit beschäftigt, wie die Rundfunkgebühr zustande kommt. Bei diesem von ARD und ZDF angestrengten Prozess geht es allerdings nicht um 2009 und die digitale Zukunft. Sondern um das bald schon nicht mehr gültige Gesetz von 2004.