Zwischenstopp auf der Erde

Das Andromeda Mega Express Orchestra ist kein Orchester wie andere. Seine 18 Instrumentalisten setzen sich in etwa zu gleichen Teilen aus klassisch ausgebildeten und Jazzmusikern zusammen, unter Leitung des Saxofonisten und Komponisten Daniel Glatzel bringen sie immer wieder höchst erstaunliche Stilverquirlungen zustande. Von Science-Fiction-Soundtracks und Bigband über Free Jazz bis hin zu Disco ist alles möglich.

Eigentlich ist es seltsam, dass das AMEO, wie seine Fans es zärtlich abkürzen, erst jetzt, acht Jahre nach seiner Gründung und im Gefolge zweier Studioplatten, ein Live-Album herausbringt. Denn auf der Bühne entfaltet das Ensemble eine Wucht, die danach schreit, festgehalten zu werden, um sie für die Nachwelt zu bewahren. Jetzt aber ist es endlich so weit.

„Live On Planet Earth“ dokumentiert ein Konzert des Orchesters im Heimathafen Neukölln aus dem Jahr 2012. Dies ist keine bloße Zusammenstellung von Live-Versionen ihrer Studioproduktionen, es präsentiert vielmehr Teile des Repertoires, die, von einer Ausnahme abgesehen, bisher unveröffentlicht waren.

Zudem zeigt es das Orchester von einer Seite, die auf ihren Platten sonst weniger stark zur Geltung kam: Dieses Weltraumkommando mit ungewissem Ausgang versteht sich nicht nur auf Stilbrüche von einer Sekunde zur nächsten, sondern hält auch schon mal eine konstante Stimmung für mehrere Minuten durch, lässt ostinate Rhythmen sich langsam steigern, ohne deshalb in irgendeiner Form weniger eigenwillig zu erscheinen.

Das beginnt schon beim Eröffnungsstück, der „Stimmung in G“, die wie ein kosmisches Augenreiben im All klingt: Hier kommen die Töne erst einmal ganz allmählich aus dem Reich der Träume hinüber ins Tagesbewusstsein. Man könnte auch Ambient Jazz dazu sagen. Von dort aus entwickelt die Sache mehr und mehr ihr surreal swingendes Eigenleben, dem man die Spielfreude der Beteiligten deutlich anmerkt.

Ein Höhepunkt ist der musikalische „Boxkampf“ namens „W. A. Mozart vs Random Generator“: Die Streicher spielen Passagen aus Mozarts Streichquintett Es-Dur, diese werden jedoch von einer Software per Zufallsgenerator verfremdet und klingen dadurch auf einmal wie atonale Musik aus dem 20. Jahrhundert. Zwischendrin sagt eine Computerstimme aus einem Konsolenspiel der achtziger Jahre die Runden des Boxkampfs an. Wer am Ende siegt, wird nicht verraten.

TIM CASPAR BOEHME

■ Andromeda Mega Express Orchestra: „Live On Planet Earth“ (Alien Transistor/Indigo/Morr), live 15.–18. 5., HAU