neues aus neuseeland: jeder blutstropfen zählt von ANKE RICHTER
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Als die Engländer sich eines der fernsten Fleckchen Paradies unter den Nagel rissen, hatte es einen Schönheitsfehler: Es war von Menschen bevölkert, die sich wehrten. „Die Dinge haben sich so entwickelt“, stellte ein neuseeländischer Siedler im Jahre 1867 im Parlament fest, „dass es nötig ist, die Eingeborenen entweder auszulöschen oder zu zivilisieren“. Im Gegensatz zum Nachbarland Australien entschied man sich für die zweite Endlösung, die dann ähnliche Resultate zeigte, wenn auch weniger blutig als bei der Aborigine-Jagd.

Zivilisation hieß damals vor allem Landraub. Irgendwie ist sie den Eingeborenen nicht so gut bekommen. Sie wurden krank, starben, verarmten. Viele Siedler nahmen ein Maori-Mädchen zur Frau. Als dessen Kindeskinder in die Schule kamen, setzte es was mit dem Rohrstock, wenn sie sich in ihrer Sprache unterhielten. Zivilisation hieß jetzt Bildung. Je weniger Menschen wie Maori aussahen, redeten oder lebten, desto besser klappte es mit der Zivilisierung. Ein Erfolgsrezept, dem sich heute noch mancher verpflichtet fühlt.

Der beste Beweis dafür, dass die Zähmung der widerspenstigen Wilden auch anders als ursprünglich geplant verlaufen kann, ist „Maori Television“. Der Sender ist keine drei Jahre alt und liefert das bunteste und mutigste Programm im Lande. Wer kürzlich „Maori TV“ einschaltete – was von gerade mal vier Millionen Kiwis leider viel zu wenige tun –, der hatte was zu lachen. Vorausgesetzt, er versteht „te reo“, die Sprache der Maori. Der Mime Waihoroi Shortland rezitierte ein selbst verfasstes Gedicht über Oppositionsführer Don Brash, den Chef der „National Party“. Der hatte sich jüngst den Zorn der Ureinwohner zugezogen, weil er behauptete, dass es eigentlich keine „reinen Maori“ mehr gäbe. Dank der Durchmischung mit Ethnien wie der seinen könne von Vollblütigkeit nicht mehr die Rede sein, und das sei „zu begrüßen“. Gemeint war: Wenn die Frage nach der Volkszugehörigkeit nur eine Frage der Weltanschauung oder der Tradition und nicht des Blutes sei, dann könne sich eigentlich jeder Maori nennen, der sich davon Vorteile erhofft. Und da hört bei den Rechten der Spaß auf.

Eine Maori-Politikerin war über Brashs Rassenlogik so empört, dass sie eine Veranstaltung mit dem milchhäutigen Politiker absagte. Schauspieler Shortland dagegen griff zur Kunst. Laut Lyrik wacht Brash nachts von einem schlechten Traum auf, weil die neuseeländische Nationalhymne geändert wurde. Statt mit „God of Nations“ beginnt sie jetzt mit „God of one Nation“: Brash agitiert seit Jahren dafür, dass für alle Bürger, ob weiß oder braun, die gleichen Gesetze gelten. „One law for all“ heißt sein Credo – Schluss mit Quotenregelung, Wiedergutmachungszahlungen, Minderheitenförderung.

Der Albtraum geht weiter. Am Schluss des Schmähgedichtes wird der Konservative kastriert und seine Hoden werden an Schweine verfüttert. Alles nur ein Scherz, beteuert der Sender, aber der Verfasser steht zu seiner Fantasie: „Wenn Brash uns mit seinem Kommentar die Eier abschneidet, dann können wir das im Traum ebenfalls mit ihm tun.“ Selbstverständlich würde er eine Entschuldigung abliefern, wenn er müsse. Auf die darf man gespannt sein: Garantiert wieder ein Maori-Gedicht.