Alles halb so schlimm

Der Hamburger SV blamiert sich in der Champions League beim FC Porto. Trainer Doll sieht nach dem beinahe unerklärlichen 1:4 lediglich ein paar individuelle Fehler und glaubt weiter an sein Team

von ANDREAS RÜTTENAUER

Erst stand er noch, die Augen weit aufgerissen. Ruderte mit den Armen. Nach einer Viertelstunde setzte er sich dann auf die Trainerbank. Ab und zu stand er noch auf, pfiff und gab Anweisungen. Kurz nach der Pause ließ er sich dauerhaft nieder. Er sank in sich zusammen. Bisweilen sah er so aus, als würde er dösen. Vielleicht hoffte er, bald aus einem bösen Traum erwachen zu können. Thomas Doll, der Trainer des Hamburger SV, saß also – und schien ratlos. Seine Mannschaft hat auch ihr drittes Spiel in der Champions League verloren. 4:1 stand es am Ende für den FC Porto. Die Hamburger geben weiterhin Rätsel auf.

„Es wäre jetzt der größte Fehler, den Trainer zu wechseln“, sagte Pjotr Trochowski, der überforderte Mittelfeldlenker und Torschütze zum 1:4-Ehrentreffer nach dem bitteren Abend von Porto. Er ist einer der Spieler, die von einem Trainer profitieren, der sein Team immer wieder in Schutz nimmt. Selbst nach dem desolaten Auftritt vom Dienstagabend wollte Doll nicht mehr gesehen haben als „individuelle Fehler“. Glaubt er wirklich noch an seine Mannschaft, die so gar nicht funktionieren will in diesen Wochen? Dass die Abwehr erneut äußerst unsicher und unreif agierte, liegt sicher auch daran, dass die Hamburger so gut wie nie mit derselben Defensivformation auflaufen können. Doch in einem Kader, dem Trainer und Vereinsführung zutrauen, in Europa mithalten zu können, sollten auch die Ersatzspieler wenigstens über Grundfertigkeiten verfügen, sollten zumindest umzusetzen versuchen, was der Trainer ihnen vorgibt.

Vielleicht spielte Collin Benjamin den Fehlpass, der zum 1:0 für die Portugiesen (14.) führte, weil er nicht über genügend fußballerische Mittel verfügt. Warum aber steht er dann im Kader des HSV? Warum ist er nicht in der Lage, den Ball die Linie entlang nach vorn zu spielen, einen Angriff einzuleiten, offensiv zu handeln, wie es sein Trainer immer wieder fordert? Oder will er etwa nicht?

Ein Handspiel wie das von Danijel Ljuboja, der im Strafraum ohne Not wie ein Volleyballer agierte, den Ball mit dem Unterarm berührte und so den Elfmeter zum 2:0 verschuldete (45. + 3), ist einfach unerklärlich. Woher kommen diese Konzentrationsschwächen? Fehlender Wille und mangelnde Leidenschaft seien der Mannschaft nicht vorzuwerfen, meinte Doll nach der Partie. Was ist es dann, was dem Hamburger SV derzeit fehlt?

Der Vorstandschef des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, glaubt, dass mit der Rückkehr von Spielmacher Rafael van der Vaart alles wieder gut wird an der Elbe. Er redete das Desaster von Porto klein: „Es gibt keinen Grund, das zu dramatisieren. Wir haben gegen den russischen und portugiesischen Meister gespielt, da kann man auswärts auch einmal verlieren.“ Die Qualifikation für das Achtelfinale ist schon jetzt nicht mehr zu schaffen, der dritte Gruppenplatz, der zum Weitermachen im Uefa-Cup berechtigt, ist ebenfalls in weiter Ferne. Und das alles soll nicht so schlimm sein?

Trainer Doll sagt immer noch, dass er an die Mannschaft glaubt. Management und Präsidium sagen, dass sie an den Trainer glauben. Er wird wohl erst einmal weitermachen dürfen. Ein „Riesentalent“ sei Thomas Doll, sagte Vereinschef Hoffmann in Porto. Er müsse sich jetzt bewähren. Nächste Bewährungsprobe für den Coach des Vorletzten der Bundesliga ist am Sonntag. Da spielt der HSV in Leverkusen.