Genossen unterstützen das Stromkartell

Energiepolitiker der SPD kritisieren Wirtschaftsminister Glos, um die Verschärfung der Aufsicht über die Stromkonzerne zu verhindern. Auch SPD-Umweltpolitiker bemängelt den Gesetzentwurf: Die Unternehmen sollten die Stromnetze abgeben

VON STEPHAN KOSCH

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) will das Kartellrecht verschärfen. Gegen die schärfere Aufsicht über die Strompreise haben sich nun führende SPD-Energiepolitiker ausgesprochen. „Wir wollen den Markt nicht abschaffen, und wir wollen keine staatliche Preiskontrolle“, erklärte der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Hempelmann, gestern in der Financial Times Deutschland. Sein Fraktionskollege Reinhard Schultz wurde so zitiert: „Eine staatliche Regulierung der Strompreise könnte eine Idee von Günter Mittag sein, dem letzten DDR-Wirtschaftsminister.“

Der Stein des Anstoßes: Glos will noch vor Weihnachten einen neuen Entwurf des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ vorlegen. Damit will Glos die Preisgestaltung der Stromkonzerne schärfer kontrollieren lassen. Zukünftig gilt ein Missbrauch nicht nur dann, wenn „ein erheblicher Abstand eines Preises zu den Preisen von Vergleichsunternehmen“ festgestellt wird. Auch ein „absolut überhöhter Preis“ könne beim Bundeskartellamt schon als Missbrauch von Marktmacht gelten. Kosten, die Unternehmen bei funktionierendem Wettbewerb vermeiden oder nicht geltend machen könnten, dürften nicht berücksichtigt werden, heißt es in dem Gesetzentwurf, der der taz vorliegt.

Dagegen regt sich nun Unmut in der SPD-Fraktion. Im Falle von Schultz und Hempelmann überrascht dies weniger, denn beide gelten als der Energiewirtschaft nahe stehend. Schultz besitzt eine Firma, die sich auf die Beratung von Energieunternehmen spezialisiert hat. Zudem ist er Aufsichtsrat bei einer Tochter des Vattenfall-Konzerns. Hempelmann ist Präsident des Zweitliga-Fußballklubs Rot-Weiß Essen, der unter anderem von RWE gesponsert wird. Beide Politiker betonen stets die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen von diesen Verbindungen.

Doch auch aus einer anderen Ecke der SPD erntet Glos Kritik. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber, unter anderem für Umwelt und Verbraucherschutz zuständig, sieht in dem Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums langfristig eine Behinderung des Wettbewerbs. Die Preisgenehmigung auf Grundlage der Kosten werde zwar kurzfristig die Preise begrenzen, sagte Kelber der taz. Langfristig würden aber die bestehenden Strukturen auf dem Strommarkt zementiert. Neue Wettbewerber würden abgeschreckt, denn RWE könne zum Beispiel mit längst abgeschriebenen Kraftwerken ganz anders kalkulieren als ein ausländisches Unternehmen, das Strom aus einem in Deutschland neu gebauten Kraftwerk anbietet. Kelber fordert statt „Nachsorge“ durch das Kartellamt eine Förderung des Wettbewerbs. Die Hochspannungsleitungen sollen zukünftig nicht mehr den Stromerzeugern gehören, die Marktmacht der vier großen Konzerne insgesamt auf 50 Prozent begrenzt werden. Auch einen Zwangsverkauf der Netze schließt Kelber nicht aus.

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