Ab 2009 kann der gelbe Briefkasten auch rot sein

Die EU-Kommission will auch den Markt für Briefe öffnen. Die Grundversorgung auf dem Land soll aber für alle Bürger gesichert bleiben. Wie, das kann jedes Mitgliedsland selbst entscheiden – und den neuen Anbietern Auflagen machen. Der französischen Regierung ist das alles zu liberal

BRÜSSEL taz ■ Spätestens 2009 soll überall in der Europäischen Union Schluss sein mit dem staatlichen Postmonopol. So steht es bereits in der derzeit gültigen Postrichtlinie. Einige Länder, darunter Deutschland, haben die Vorgaben aus Brüssel schon umgesetzt. In Staaten wie Frankreich, wo die staatliche Post der zweitgrößte Arbeitgeber ist, regt sich schon Widerstand. Gestern legte Binnenkommissar Charlie McCreevy zusätzliche Vorschläge vor, wie die Marktöffnung praktisch gestaltet werden soll.

Auch nach 2009 soll jeder EU-Bürger einen gesetzlich garantierten Anspruch darauf haben, fünf Tage in der Woche zu einem erschwinglichen Preis die Post geliefert zu bekommen. Kritiker hatten prophezeit, private Postdienste würden sich künftig die lukrativen Geschäftskunden und die dicht besiedelten Regionen sichern. In dünn besiedelten Gegenden werde sich dann kein Postbote mehr sehen lassen. Diese Befürchtung versucht die Kommission mit ihrem Vorschlag zu entkräften.

Darin erhalten die Mitgliedstaaten völlig freie Hand, wie sie die Grundversorgung sichern wollen. Es steht ihnen frei, einen Höchstpreis für bestimmte Angebote wie Briefsendungen vorzuschreiben. Sie können den Unternehmen für Serviceleistungen, die nicht lukrativ sind, auch staatliche Zuschüsse zahlen – etwa für einen Botendienst in abgelegene Landstriche. Sie können auch einen Fonds für Entschädigungsleistungen bilden oder die Kosten auf alle Postanbieter umlegen.

Auch die Frage, ob private Konkurrenten das bestehende Netz an Postfilialen und Briefkästen nutzen dürfen, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Auf die Frage, ob künftig neben den gelben auch grüne oder blaue Briefkästen in französischen Städten hängen werden, antwortete McCreevy: „Alles ist denkbar. Jeder Mitgliedstaat kann das halten, wie er will.“ Der Binnenmarktkommissar sieht die Postliberalisierung als Testfall für die Glaubwürdigkeit von Rat und Parlament. Schließlich habe die EU-Kommission schon 1992 das erste Ideenpapier zur Öffnung der Postmärkte veröffentlicht. Fünfzehn Jahre später sei es Zeit, die letzten Hürden aus dem Weg zu räumen. „Wenn das wieder einen solchen Sturm auslöst wie die Dienstleistungsrichtlinie, dann wäre es ein klarer Hinweis dafür, dass die Mitgliedstaaten in Wirklichkeit gar keine Marktöffnung wollen.“

In Ländern, die bereits jetzt ihre Märkte geöffnet hätten, gebe es genau die umgekehrte Sorge, sagte McCreevy. Dort fürchteten die privatisierten Unternehmen, dass in den Nachbarländern alle Beihilfemöglichkeiten in der neuen Richtlinie ausgeschöpft werden könnten. Die Folge wären ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Tatsächlich fordert Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel die Kommission auf, die Märkte bis 2009 völlig zu öffnen. 84 Prozent der Postkunden seien Unternehmen, die keinen Schutz vor dem freien Markt brauchten. Die Liberalisierung könne neue Arbeitsplätze in dem Sektor schaffen.

Das sieht der Manager der staatlichen Post in Frankreich ganz anders. Jean-Paul Forceville erklärte, es sei „politisch unmöglich“, den Markt völlig zu öffnen und die Grundversorgung drastisch einzuschränken.

Das habe er auch Zumwinkel erklärt, „doch der will nicht zuhören“. Aufmerksam wird die Diskussion hingegen von den 300.000 französischen Postbeamten verfolgt. Doch auch bei anderen Franzosen ist die Idee nicht beliebt, sich künftig an vielfarbige Briefkästen oder private Briefträger gewöhnen zu müssen. Da 2007 in Frankreich drei Wahlen anstehen, ist aus Paris kaum Unterstützung für das Projekt zu erwarten. Doch McCreevy bleibt Optimist: „Ich hoffe, diese Richtlinie rasch und mit geringen Änderungen durchzubekommen. In der Politik muss man allerdings immer mit allem rechnen.“ DANIELA WEINGÄRTNER