„Konzerne nehmen keine Rücksicht“

Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips, sieht im Börsengang des Immobilienkonzerns Gagfah ein schlechtes Signal: Soziale Standards würden nicht eingehalten. Verkäufe entlasteten öffentliche Kassen nur kurzfristig

taz: Herr Rips, das Immobilienunternehmen Gagfah ist mit einem Gewinnplus an der Börse gestartet. Profitieren davon auch die Mieter?

Franz-Georg Rips: Der Börsengang ist ein eindeutig schlechtes Zeichen für die Mieter. Nach der Privatisierung hunderttausender öffentlicher Wohnung folgt nun in der zweiten Welle der Börsengang. Die Mieter zahlen letztendlich den Preis.

Wie hoch ist der Preis?

Der Eigentümer der Gagfah, Fortress, hat bereits angekündigt, verstärkt auf Wohnungsverkäufe und Mieterhöhungen zu setzen. Gagfah-Geschäftsführer Burkhard Drescher erhofft sich eine Mietsteigerung von bis zu neun Prozent.

Aber er hat auch angekündigt, verstärkt auf die Einhaltung sozialer Standards zu achten.

Das sind nur Lippenbekenntnissse. Beim Verkauf der Gagfah an Fortress vor zwei Jahren wurde eine Sozial-Charta festgeschrieben. Die Praxis zeigt aber, dass diese dort, wo der Markt sehr eng ist, nicht eingehalten wird. Die Unternehmen nehmen keinerlei Rücksicht.

In der kommenden Woche will die Landesregierung über den Verkauf der LEG entscheiden. Die Gagfah gilt als aussichtsreicher Interessent. Müssen die Mieter Angst haben?

Die LEG muss als Ganzes erhalten bleiben. Leider scheint der Verkauf beschlossene Sache. NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) versucht die Öffentlichkeit zwar zu beruhigen. Letztendlich wird es aber um den größtmöglichen Erlös gehen.

Hat die Landesregierung eine andere Wahl? Das Bundesverfassungsgericht hat gestern dem Land Berlin geraten, seinen gesamten Wohnungsbestand zu verkaufen, um das Haushaltsloch zu schließen.

Wohnungsverkäufe bringen nur kurzfristig Entlastung. Durch die Tilgung der Schulden verringert sich zwar die Zinsbelastung, am Ende zahlt die öffentliche Hand drauf. Durch die zu erwartenden Mieterhöhungen steigen die Ausgaben für das Wohngeld und für die Belegungsrechte einkommensschwacher Mieter.

Stoßen die Immobiliengesellschaften nicht irgendwann an ihre Grenzen?

Bei den Konzernen ist eine Menge Geld vorhanden. Von zehn bis 20 Milliarden Euro ist die Rede. NRW ist dabei besonders begehrt. Aber nicht nur das Land, auch die Kommunen verhalten sich fahrlässig. Sie bieten die Wohnungen inflationär an. Dabei sollten gerade die Kommunalpolitiker wissen, dass sie einkommensschwache Mieter schützen müssten. Statt dessen geht es nur noch um die Rendite.

INTERVIEW: HOLGER PAULER