Künstlerischer Anarchismus

Das Berliner Forum Berufsbildung suchte mit einem Fotowettbewerb nach Traumjobs. Das Resultat: Exotische Wunschberufe und ein siegreicher Arbeitsloser

Johannes Saffrin schlürft an seinem Wein. Grüner Parka, mit silbernem Klebeband auf der Schulter geflickt, Cartoon-Aufnäher am Rücken. Der 41-jährige Hartz-IV-Empfänger steht vor seinem Bild in der Galerie der Wasserbetriebe. Ein zartes, ein vorsichtiges Foto: eine hellhäutige Fußsohle, massiert von zwei dunkelhäutigen Händen. Ganz nah dran, ein bisschen verwackelt.

„Ich wollte einmal nicht die Einsendefrist verpassen“, murmelt Saffrin. Es ist ihm gelungen: Sein Bild wird im Rahmen des Fotowettbewerbs des Berliner Forums Berufsbildung für Hobbyfotografen ausgestellt. „Mein Traum von einem Job“ hieß der. Nicht ganz zufällig: Das Forum versucht seit 20 Jahren über Aus-, Um- und Fortbildungen Wege zu Traumjobs zu ebnen.

Am Mittwochabend eröffnete das Forum anlässlich seines Zwanzigsten die Fotoausstellung. Bis zum 18. November werden die besten 30 Bilder in der Galerie in der Neuen Jüdenstraße zu sehen sein. Alice Ströver, kulturpolitischer Sprecherin der Grünen, und Susanne Ahlers, Staatssekretärin für Arbeit und Frauen, lobten vor Ort die bunten Bilder. Verspielte Fotografien, mal künstlerisch verschroben, mal launisch draufgehalten, mal collagig montiert. Eine Wäscheleine mit nichts als dicht aufgereihten weißen Schlüpfern. Eine Brünette in Lederkluft und Strapsen neben einer Kamera. Ein einsamer Rucksack vor Bergpanorama. Nicht jedes Motiv lässt den Traumberuf ad hoc erkennen, manche allerdings eine Sehnsucht nach exotischen Beschäftigungen: Matroschka-Verkäufer, Schokoladenfertigerin, Zirkusclown.

Johannes Saffrin sieht seine Berufung in der Kunst. Früher habe er fürs ZDF und Sat.1 gearbeitet, dann wollte er „mal was Richtiges machen“. Heißt: Performance-Künstler. Mit einem Kartoffelsack auf einem Bollerwagen tingelte er beim Karneval der Kulturen über die Straßen. Er bezeichnet sich als „künstlerisch ambitionierter Anarchist“. Zum Leben reicht das nicht, weshalb Saffrin Hartz IV bezieht. „Das liegt ja nicht weit entfernt von normalen Künstlerbezahlungen.“ Demnächst will er bei einer Werbeagentur einer geregelten Arbeit nachgehen. „Da kannst du Unsinn produzieren, und die Leute zahlen dafür.“

Am Ende des Abends wird Saffrins Bild zum zweitbesten erklärt. Als Prämie bekommt der Schlaks eine Digitalkamera in die Hand gedrückt. Lieber hätte er ja den ersten Preis bekommen, die Reise nach Madrid. Als Fotograf seit dem 15. Lebensjahr habe er natürlich bereits eine Kamera.

Konrad Litschko

Sparpotenzial: null. Das Forum erhält nach eigenen Angaben kein Geld vom Land