Notwehr oder Totschlag?

SCHUSS AUF EINBRECHER

Nun kommt er doch noch vor Gericht: Ab Mittwoch muss sich der 80-Jährige Ex-Bestattungsunternehmer Ernst B. wegen Totschlags-Verdachts vor dem Stader Landgericht verantworten. Der passionierte Jäger hatte am Abend des 13. Dezember 2010 in seiner Fachwerk-Villa in Sittensen auf der Terrasse dem 16-Jährigen Einbrecher Labinot S. in den Rücken geschossen.

Zuvor hatte ein maskiertes Quintett dem gehbehinderten Millionär im Garten aufgelauert und ihn ins Haus gezerrt. Den Tipp auf den reichen Mann hatten die Räuber von der Freundin einer Prostituierten erhalten, die er oft eingeladen und mit einem Mercedes-Coupé beschenkt hatte. Beim Versuch, seinen Tresor zu öffnen, wurde Alarm ausgelöst. Die Täter flüchteten in Panik. B. nutzte die Gunst der Stunde, griff in eine Schublade im Wohnzimmer, in der sich eine Waffe befand und schoss Labinot S. in den Rücken. Er verblutete in wenigen Minuten.

Der Tat-Komplex löste einen heftigen Rechtstreit aus: Zuerst ging die Staatsanwaltschaft klar von Notwehr aus. Als die Einbrecher sich stellten, kamen jedoch Zweifel auf. Das Ermittlungsverfahren wurde dennoch eingestellt. Nachdem die Mittäter von Labinot S. im Juli 2011 wegen räuberischer Erpressung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, sagten sie umfangreich aus. Die Familie legte Beschwerde ein, die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen wieder auf und erhob Anklage wegen Totschlags, nachdem die Polizei Tatortspuren neu ausgewertet hatte. „Es sieht nicht mehr danach aus, als habe er in Notwehr geschossen“, sagte Sprecher Burkhard Vonnahme.

Das Landgericht lehnte 2012 jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da bei einen Angriff auf das Eigentum Notwehr gerechtfertigt sei. Die Familie legte dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht Celle ein. Das entschied 2013: Die Frage nach Notwehr oder Totschlag könne nicht nach Aktenlage entschieden, sondern nur durch einen Prozess geklärt werden. Es verdonnerte das Landgericht Stade, das Verfahren zu führen.  KVA