Prinzipienreiters Probleme

Beim SC Freiburg werden neue Töne angeschlagen: Präsident Achim Stocker bezeichnet Dauertrainer Volker Finke als „nicht unantastbar“

FREIBURG taz ■ Volker Finke ist ein Mann mit Grundsätzen. Es gibt immer mehr Menschen, die darin auch einen Grund für die Krise des Vereins sehen. Auch wenn es absurdere Grundsätze gibt als den, zwei Tage vor einem Spiel über das Spiel reden zu wollen. Ibertsberger werde wieder auflaufen, Hansen hingegen eher nicht. Außerdem sei der Gegner keinesfalls zu unterschätzen. Doch die versammelten Journalisten interessierte am Mittwochmorgen nicht so sehr, was beim, sondern was nach dem Spiel gegen Wacker Burghausen (heute, 18 Uhr) passieren würde. So kam die Frage, die kommen musste: „Sind Sie kommende Woche noch im Amt?“

Kein normaler Mittwoch also – dank Achim Stocker. Am Tag zuvor hatte der Vereinspräsident in der Badischen Zeitung gesagt: „Im Verein ist niemand unantastbar. Auch der Trainer nicht.“ Und: „Wir können doch nicht in die Regionalliga absteigen und sagen: Das war Schicksal.“ Ein Heimsieg müsse nun her.

In der Tat ist vieles, was früher erfrischend und zukunftsweisend war, heute zum Dogma geronnen. Der Ball läuft beim SCF immer noch gefällig, zumindest bei den Heimspielen hat man meist ein deutliches Übergewicht an Ballbesitz. Andere Teams jedoch versuchen, mit möglichst wenigen Ballkontakten in Schussposition zu kommen, weil die meisten Tore in den ersten 20 Sekunden nach der Balleroberung fallen. Beim SC hingegen zirkuliert der Ball häufig in einer Art Handballtaktik um den gegnerischen Strafraum. Man hat nicht den Eindruck, dass Volker Finke das als Problem sieht.

Wo früher torgefährliche Mittelfeldspieler in die Lücken stießen, die die Angreifer gerissen hatten, fehlen heute die Lücken: Alexander Iashvili, der Georgier mit der Statur eines B-Jugendlichen, ist überfordert – seit Jahren. Immerhin kam im Sommer mit Henrich Bencik ein groß gewachsener Angreifer. Doch es spielt Iashvili. Überhaupt hält Finke an manchem Spieler fest, der auf ein ordentliches fünf schlechte Spiele folgen lässt. SC-Spiele werden so schnell zum Déjà-vu-Erlebnis. Zusammen mit einer grassierenden Ausredenkultur (Schiedsrichter, Rasen, individuelle Patzer) sorgt das beim Publikum für ein diffuses Gefühl der Langeweile, für den Eindruck, dass sich – was auch passieren mag – rund ums Dreisamstadion nichts ändert. Außer vielleicht der Stadionname. Bereits in der vergangenen Saison kamen nur noch 13.000 Zuschauer im Schnitt – Platz 8 aller Zweitligisten. In dieser Saison waren es 15.000, dann 12.000, dann 11.500 Fans.

Klingt nach einem Abgesang? Gemach. Natürlich wurden dem SC in dieser noch jungen Saison bereits zwei reguläre Treffer aberkannt. Und natürlich reicht die spielerische Substanz auch im schlechtesten Fall allemal aus, um in der Endabrechnung einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Man kann sogar der Widerborstigkeit Volker Finkes Sympathisches abgewinnen. Denn wer Prinzipien vertritt, macht sich zwar angreifbar, zeigt aber immerhin Rückgrat.

Genau das scheint hingegen Präsident Achim Stocker zu fehlen. Jahrelang klagte er nur seinen Spezis sein Leid, wie kompliziert „der Alte“ doch sei. Wobei er sich mit seinem Credo „Was willsch mache?“ als formal mächtigster Mann im Verein selbst ein Armutszeugnis ausstellte. Dass Stocker gerade jetzt vorprescht, wo der Trainer angeschossen ist, kann man getrost als charakterschwach bezeichnen. Es scheint, als hätten sie in Freiburg ein viel grundsätzlicheres Problem als die Trainerfrage.

CHRISTOPH RUF