Alles muss versteckt sein!

GEHEIM Das Osterei soll gefunden werden, anderes nicht. Über die Kunst des Verbergens

PROTOKOLLE Julia Rothenburg
und Christoph Farkas

Das Kind

Das beste Versteck ist oben auf einem Baum. Da verstecke ich mich vor meinen Brüdern. Aber nur, wenn es nicht geregnet hat, sonst wird man ja nass. Dann verstecke ich mich drinnen, im Hochbett unter der Decke, ganz leise. Ich verstecke mich gerne zu Hause, im Kindergarten und bei meinem Freund. Einmal habe ich mich im Gebüsch versteckt und einen ganz hübschen Schmetterling gesehen. Da wurde ich aber gleich gefunden.

Finn, 5, hat zwei ältere Brüder und freut sich auf Ostern

Die Geocacherin

Schon seit Jahren mache ich beim Geocaching mit, einer Art Schnitzeljagd mit GPS-Koordinaten, die von einer großen Community organisiert wird. Bei den über 350 Caches, die ich gefunden habe, habe ich schon so einige gute Verstecke gesehen: in Astlöchern, unter kunstvoll aufgeschichteten Steinhaufen, in hohlen Buchumschlägen. Ein gutes Versteck lässt sich nicht so einfach finden und ist professionell getarnt.

Am besten sind jene Verstecke, die man nicht einfach nur durch Hingucken finden kann. Bei einer meiner Geocaching-Touren stand zum Beispiel als Anweisung dabei, man solle eine Flasche Wasser mitnehmen. Am Zielort, einem Gartenzaun, war ein Rohr befestigt. Man musste es unten zuhalten und oben Wasser hineingießen. Der Cache, ein Plastikröhrchen, wurde dann nach oben gespült. Leider werden die Verstecke aber immer schlechter. Das liegt daran, dass mittlerweile so viele Leute mitmachen. Schließlich ist das viel einfacher geworden, weil man sein Smartphone benutzen kann und nicht wie früher ein GPS-Gerät braucht. Jetzt denkt jeder, er könne irgendwo eine Filmdose verstecken und habe schon einen tollen Cache gelegt. Die Filmdose steckt dann zum Beispiel unter der Ablagefläche einer Telefonstele – kein sehr einfallsreiches Versteck, zumindest nicht unter Cachern. Ich habe das Ziel, selbst mal einen Cache zu verstecken. Ich würde einen sogenannten Multi machen, das heißt einen, bei dem man erst nach mehreren Etappen und Rätseln zum Versteck gelangt. Den Cache würde ich gerne bei meinen Eltern verstecken. Die könnten dann am Küchentisch sitzen und durchs Fenster zuschauen, wie die Leute das Versteck suchen. Dann hätten sie sicher einiges zu lachen.

Janka Kreissl, 37, ist Texterin und sucht in ihrer Freizeit nach gut versteckten Caches

Der Zöllner

Ein ideales Versteck gibt es nicht. Im Laufe der Jahre haben wir Zollfahnder natürlich fast jedes Versteck schon mal gesehen. Im Auto ist die Schmuggelware meist in zusätzlich eingebauten Unterböden oder in Türverkleidungen, in einem Zusatztank, im Verbandskasten oder in die Sitze eingearbeitet. Das Phantasievollste, das ich mal gesehen habe, waren eingenähte Tütchen mit Kokain in den Kopfstützen, doch die hat dann der Rauschgiftspürhund ausfindig gemacht.

Versteckt wird eigentlich alles, was verboten ist: Betäubungsmittel, gefälschte Medikamente, Schmuggelzigaretten, im letzten Jahr verstärkt auch Pyrotechnik aus Osteuropa. Konjunktur haben nach wie vor die Körperschmuggler, die verpackte Ware in sogenannten Bollos schlucken oder in Körperöffnungen verbergen. Bei denen müssen wir dann genau hinschauen. Wenn sie mit dem Flugzeug kommen, haben sie auffallend viel oder wenig Gepäck dabei. Oft schwitzen die Schmuggler übermäßig, zur Nervosität kommen ja auch körperliche Schmerzen, die eine lange Anreise mit 100 Behältnissen à 10 Gramm im Körper nun mal verursacht. Wir müssen dann über den Staatsanwalt beim Gericht einen Untersuchungsbeschluss beantragen. Wenn das Gericht dem stattgibt, gehen wir mit den Verdächtigen gemeinsam zum Röntgen ins Krankenhaus.

Norbert Scheithauer ist Sprecher des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg und Zollbeamter

Der Make-up-Artist

Augenringe, Schlupflider, Pickel – das alles kann man mit Make-up problemlos verstecken, den Hautton ausgleichen und damit das gesamte Hautbild optimieren, wie ich lieber sage. Bei sehr bewegter Haut wird es etwas schwieriger. Für ein Foto oder einen kurzen Auftritt gibt es auch dafür den ein oder anderen Trick: Es gibt spezielle Klebestreifen, mit denen man die Haut partiell straffen kann, oder auch Seren, die für den Augenblick extrem aufpolstern. Das ist nichts für jeden Tag und auch sonst sage ich lieber: zu den Falten stehen, sie gehören dazu.

Bei sehr bewegter Haut schaue ich nicht so sehr darauf, was ich verbergen soll, sondern betone besonders schöne Partien im Gesicht. Damit rücken beispielsweise Falten gleich in den Hintergrund. Einmal bin ich beim Verstecken aber auch ziemlich an meine Grenzen gekommen: Morgens um sechs bin ich zu einem Topmodel zur Vorbereitung für einen Auftritt direkt ins Hotel gefahren. Vor Ort haben mich zwei wirklich extreme Augenringe angelächelt. Zuerst habe ich mich erschreckt und dann in meine Trickkiste gegriffen – und am Ende konnte ich auch da einen makellosen Teint zaubern.

Boris Entrup, 35, schminkt für Maybelline, unter anderem bei Germany’s Next Topmodel

Der Grasdealer

Das soziale Stigma, dem Cannabis-Konsumenten meist ausgesetzt sind, wie auch der durch die Kriminalisierung bestehende Verfolgungsdruck, führt – vor allem wenn man den shit vercheckt – zu einiger Kreativität darin, das Gras zu verstecken. Das Hauptproblem dabei ist der starke spezifische Eigengeruch, der von dem Zeug ausgeht, egal ob es bereits geraucht wurde oder nicht. Heavy User interessiert natürlich vor allem, das Genussmittel in den Alltag zu integrieren, ohne von Kollegen als Kiffer abgestempelt oder von Vollstreckungsbeamten einer Leibesvisitation unterzogen zu werden.

Statt sich zu verstecken, hat sich als besonders geeignet erwiesen, Zubereitung und Einnahme auf offener Straße zu vollziehen. Es bedarf zwar einiger Übung, im Laufen Tüten zu drehen, das Rauchen hingegen passt ganz gut zu einem kleinen Spaziergang und gibt einem selbst – wie auch dem Rauch – Gelegenheit, sich im Zweifelsfall schnell zu verziehen. Als beschaffungskrimineller Betreiber eines „Call-a-Piece“-Services mit der selbst auferlegten Verpflichtung, jederzeit von überallher wie Fleurop die Blüten ins Haus liefern zu können, habe ich die Qualitäten der inneren Plastikschale der großen Feiertagsvariante des Ü-Eis zu schätzen gelernt. Zusammen mit den 100 Gramm Kifferschokolade erwirbt man nämlich ein einigermaßen gasdichtes und kompaktes Kunststoffbehältnis, in dem ohne Weiteres ein halbes Hek, also etwa 50 Gramm, in Endverbrauchertütchen verpacktes Dope verstaut und unauffällig im Hipbag versteckt mit sich herumgetragen werden kann. Und ein derart gefüllter Bauchladen lässt sich, wird man doch mal kontrolliert, mit einer geschickten Handbewegung vor den Augen unerfahrener Jungbullen schnell verstecken.

Mark Netter, 39, heißt eigentlich anders und ist ehemaliger Dealer und Cannabis-Konsument