PRESS-SCHLAG
: Ein Gedrängel wie im Bundestag

ERSTE LIGA Das Schicksal des 1. FC Nürnberg zeigt: Ein gesichertes Mittelfeld gibt es auf Dauer nicht

Vor dieser Saison gab es genau 3,51 Mannschaften, die für sich den Klassenerhalt als Ziel ausgaben: Hertha BSC und Eintracht Braunschweig, weil Aufsteiger das machen müssen, wollen sie nicht als größenwahnsinnig gelten. Der SC Freiburg, weil man dort Bescheidenheit gewohnt ist und mal eben den halben Kader an die Konkurrenz verchecken musste. Und eben 51 Prozent des 1. FC Nürnberg, dem derzeitigen Vorletzten. Als Verein, der es einst geschafft hat, als amtierender deutscher Meister abzusteigen, wird man aus Schaden klug. Zumindest partiell.

Vernünftige Leute wie Keeper Raphael Schäfer waren schon im Sommer recht deutlich. Jeder, der etwas von Fußball verstehe, müsse wissen, dass es nur um den Klassenerhalt gehen könne, sagte er. Der Mann, das weiß man jetzt, hatte Recht. Die anderen 49 Prozent beim FCN hatten allerdings andere Pläne. „Den nächsten Schritt“ wollte man machen, sich nach zwei eher sorglosen Jahren in der Bundesliga vollends etablieren, zum gestandenen Bundesligisten werden: Alles Umschreibungen für den Weg in die Mitte der Liga, in jenen Bereich, der weder mit den internationalen Rängen noch mit dem Abstieg etwas zu tun hat. Es klang wie ein angemessen bescheidener zweckrationaler Plan.

Das Problem daran: Genau dorthin, in die Mitte des Tableaus, wollen so gut wie alle. Einige wenige davon, die gescheiterten Großambitionisten wie Stuttgart oder der HSV, gaben das zwar erst in der Winterpause als Ziel aus – all die Frankfurts, Bremens, Hannovers und die anderen So-lala-Teams hingegen von der Sommerpause an. Logische Folge: In der Mitte gibt es zu wenig Plätze für alle Aspiranten, es herrscht ein Gedränge wie im Bundestag, wo mit Leidenschaft darüber gestritten wird, welche Partei von sich behaupten darf, die Mitte zu verkörpern.

Tatsächlich wird es künftig nicht leichter werden, einfach den Status quo als Saisonziel auszugeben. Nicht nur, weil mancherorts – besonders bei den Traditionsvereinen – dann die Fans grummeln, die endlich auch mal wieder nach Madrid, Rom und Porto statt nach Mainz fahren wollen. Sondern weil das Gedränge noch größer werden wird: Der künftige Aufsteiger 1. FC Köln ist schon genetisch nicht dazu in der Lage, sich mit Platz 15 abzufinden. Von unten rückt mal nebenbei noch Red Bull Leipzig nach, das nicht all die Jahre so viele Millionen ausgegeben hat, um als Endziel Platz 11 in der ersten Liga auszugeben.

Überhaupt wird sich die Schere zwischen den reichen Vereinen und denen, die knapsen müssen, weiter öffnen, was dazu führen könnte, dass demnächst nicht nur die ersten drei, vier Plätze zementiert sind, sondern gleich die Top 7 oder Top 8. Der Rest ist dann Mitte und endet auf Platz 9 – oder gleich in der Zweiten Liga. Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass diese Saison nicht die letzte sein wird, an deren Ende zwei oder drei Mannschaften absteigen, die nicht viel schlechter sind als das Team auf Platz 9. Schade nur, wenn es den bescheidenen Klub erwischen sollte, wo man doch so gerne die Hochmütigen fallen sehen würde. CHRISTOPH RUF