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Archiv-Artikel

Verhärtete Fronten

UKRAINE In Genf wurde eine Einigung erzielt. Umgesetzt wird sie nicht. Die Krise geht weiter

Beide Seiten wollen nicht weichen und stellen Bedingungen für die Umsetzung der Erklärung

GENF taz | Gegen eine schnelle Umsetzung der am Donnerstagabend in Genf erzielten Vereinbarung zur Deeskalation in der Ukraine sperren sich sowohl russischsprachige Aktivisten in der Ostukraine wie auch die Unterstützer der Übergangsregierung auf dem Maidan in Kiew. Damit droht eine weitere Eskalation auch der Krise in der Beziehung zwischen dem Westen und Russland.

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten bereits am Donnerstag in einem Telefonat vereinbart, weitere Sanktionen über Russland zu verhängen, „falls sich die Deeskalation nicht in kurzer Zeit vollzieht“. Obama nannte die Genfer Vereinbarung zwar „eine aussichtsreiche öffentliche Erklärung“. Doch „angesichts der Erfahrungen in der Vergangenheit“ könne man „nicht mit Sicherheit mit einer Verbesserung der Lage rechnen“. Jetzt sei die Frage, ob Russland seinen Einfluss ausübe, damit Recht und Ordnung wiederhergestellt werden könnten.

US-Außenminister John Kerry und seine Amtskollegen aus Russland und der Ukraine, Sergei Lawrow und Andrei Deschtschiza sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatten nach fast siebenstündigen intensiven Verhandlungen in einem Genfer Hotel eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Danach „müssen alle Seiten jegliche Gewaltanwendung, Einschüchterung und Provokation unterlassen“. Die Erklärung verlangt, dass „alle bewaffneten Gruppen entwaffnet werden und alle illegal besetzten Gebäuden ihren legitimen Eigentümern zurückgegeben werden“. Zudem müssten „alle illegal besetzten Straßen, Plätze oder andere öffentliche Flächen geräumt werden.“

Nach Lesart der Regierungen in Washington, Berlin und anderen westlichen Hauptstädten beziehen sich diese Forderungen lediglich auf die Ostukraine. Nach Interpretation Moskaus und der russischsprachigen Aktivisten in der Ostukraine gilt die Genfer Erklärung allerdings für das gesamte Land. Demnach sind auch die Milizen des Rechten Sektors zu entwaffnen. Und mit der geforderten Räumung „aller illegal besetzten Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Flächen“ ist auch der Maidan gemeint, der Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew. Dort haben Nationalisten und andere Gruppen, die am Sturz der Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch beteiligt waren, Barrikaden errichtet.

Ihre Sprecher erklärten nach Bekanntwerden der Genfer Vereinbarung, sie wollten den Maidan erst nach der für den 25. Mai angesetzten Präsidentenwahl räumen. In der ostukrainischen Stadt Donezk reagierten prorussische Besetzter eines Regierungsgebäudes auf die Genfer Erklärung mit der ausdrücklichen Weigerung, die Besetzung zu beenden. Sie zögen erst ab, wenn die Unterstützer der Regierung in Kiew den Maidan aufgegeben hätten.

Denis Puschilin, Chef der selbst erklärten Volksrepublik Donezk, sagte, seine Männer fühlten sich durch die Unterschrift des russischen Außenminister Sergei Lawrow nicht gebunden. „Wir sind einverstanden, dass die Gebäude geräumt werden müssen“, erklärte Puschilin. „Aber zuerst müssen (Ministerpräident Arseni) Jazenjuk und (der amtierende Präsident Oleksander) Turtschinow die Gebäude in Kiew verlassen, die sie seit ihrem Staatsstreich illegal besetzen.“

Die Genfer Erklärung sieht vor, dass die bereits mit rund 120 BeobachterInnen vor Ort stationierte Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) „eine führende Rolle bei der Unterstützung der ukrainischen Behörden und Kommunen übernimmt, um die Schritte zur Deeskalation in den kommenden Tagen dort auszuführen, wo sie am notwendigsten sind“. Dafür müsste die Mission aber sehr schnell auf mindestens 500 BeobachterInnen aufgestockt werden und zusätzliche Finanzmittel erhalten.

ANDREAS ZUMACH