Konzept für kippende Stadtteile

Die GAL stellt Programm gegen die Spaltung in arme und reiche Gebiete vor. Arbeitslose sollen im Quartier beschäftigt werden und dabei ihrem Viertel helfen. Task Force soll Ressortgrenzen sprengen

VON GERNOT KNÖDLER

Die Bürgerschaftsfraktion der GAL hat gestern ein Konzept gegen die soziale Spaltung der Stadt vorgelegt. Sie schlägt darin eine Steuerungsgruppe aus hochrangigen Vertretern aller Behörden vor. Diese „task force“ soll sicherstellen, dass die eine Behörde nicht zerstört, was die andere mühsam aufzubauen versucht. Inhaltlich steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Zentrum: Jobs in den gefährdeten Quartieren, Hilfe bei der Existenzgründung, Bildungsangebote, Gesundheitsförderung und Beteiligung sollen den Menschen Würde geben und sie ermutigen, ihr Leben in die Hand zu nehmen.

Die GAL hat schon seit einiger Zeit an diesem Programm gearbeitet. Das Timing für dessen Fertigstellung hätte kaum besser sein können. Täglich laufen neue Meldungen über vernachlässigte Kinder ein und Experten prognostizieren den Zerfall der Stadt in Gettos. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nannte als wichtigste Aufgabe für die zweite Hälfte der Legislaturperiode, die Abkoppelung einzelner Quartiere zu verhindern. Die Antwort, wie das geschehen soll, bleibt er seit einem dreiviertel Jahr schuldig.

„Die soziale Schere öffnet sich immer weiter, aber der Senat hat das Problem nicht nur ignoriert, er hat es verschärft“, behauptet GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. In Hamburg werden 72 Prozent mehr an Gütern und Dienstleistungen erzeugt als im Bundesdurchschnitt. Nirgendwo gebe es so viele Millionäre. Doch von den 1,7 Millionen Einwohnern lebten 200.000 auf Sozialhilfeniveau, darunter fast jedes vierte Kind unter 15 Jahren.

„Der Senat investiert einseitig in die reichen und wirtschaftlich gut funktionierenden Stadtteile“, kritisiert der GAL-Abgeordnete Claudius Lieven. Er gebe hunderte Millionen Euro für Leuchtturmprojekte wie die Hafencity-U-Bahn, den Jungfernstieg und das Tamm-Museum aus und lasse die Saga-Mieter dafür blechen, indem er sich über das Wohnungsunternehmen 500 Millionen Euro Kredit besorgte. Bei der sozialen Stadtteilentwicklung dagegen habe er 35 Prozent gespart und bei der Migrationsberatung 30 Prozent gekürzt. In armen Stadtteilen würden 30 Prozent weniger Drei- bis Sechsjährige ganztägig betreut als 2002.

So könne der Senat nicht weitermachen, findet die GAL. Er dürfe die Millionen, die für Arbeitsmarktförderung zur Verfügung stehen, nicht nach dem Gießkannenprinzip auf Ein-Euro-Jobs über die ganze Stadt verteilen. Vielmehr sollten in den Problemstadtteilen mit staatlicher Hilfe Arbeitsplätze geschaffen werden, die das Leben dort verbessern: Mütter, deren Kinder aus dem Haus sind, könnten zu Familienhelferinnen ausgebildet werden, arbeitslose Tischler Abenteuerspielplätze betreuen. Vorbild sind die Pförtner, die zur sozialen Kontrolle für heruntergekommene Hochhäuser angestellt wurden.

Auch einen Finanzierungsvorschlag macht die GAL: Für das Konzept stünden 60 Millionen Euro zur Verfügung, die der Bund der Stadt für Arbeitslose und Bedürftige überweist. Dazu kämen 15 Millionen Euro aus verschiedenen Töpfen für die Stadtentwicklung. Überdies solle der Senat die 20 Millionen Euro aus der Arbeitsmarktförderung, mit denen er die Wirtschaft unterstütze, wieder direkt den Arbeitslosen zukommen lassen.

Mit dem Geld könnten auch Quartiersmanager und -betreuer bezahlt werden, die Projekte anschieben sollen: Dazu gehören „Magnetschulen“, die mit einem besonderen Schwerpunkt Kinder aus anderen Stadtteilen anlocken sollen, aber auch Projekte, wie das Kindermuseum am Osdorfer Born. Dort werden die Osdorfer Kinder zum einen betreut, zum anderen macht sie das Museum zu stolzen Gastgebern, die Kinder aus anderen Stadtteilen durch „ihr“ Museum führen.