IM KELLER IST NOCH PLATZ

VON SUSANNE FISCHER

Manchmal muss ich mein weltsicher ummauertes Sofa zwischen den Nebelfeldern leider wegen unaufschiebbarer Verrichtungen verlassen. Nein, nicht deswegen, sondern zum Einkaufen und so. Ich nenne das Reality-Surfing. Man kommt aber schnell aus der Übung, wenn man es nicht regelmäßig tut. Im Supermarkt verlangen sie von mir plötzlich die „Deutschlandkarte“, eine Art Kundenexistenzberechtigungsnachweis. Wenn das Ding schon so heißt, will ich es gleich nicht.

Es ist wie früher im Kindergarten: Alle machen begeistert mit, außer mir. Für das windige Versprechen, irgendwas irgendwann billiger zu bekommen, geben sie der Kindergartentante freudig bekannt, wie viel Schnaps sie zur Ruhigstellung ihres Nachwuchses benötigen. Schon weiß Wirliebenlebensmittel Bescheid über dich. In Zukunft wird sich dein Einkaufwagen von selbst befüllen. Und wer seine Tochter Edeka nennt, bekommt beim nächsten Besuch eine Salami umsonst. Wenn Google Street View Rabattmarken ausgeben würde, hätten auch in Dummland alle „Mein Haus zuerst!“ gerufen.

Statt die Nationalkarte zu zücken, versuche ich mit der Kassiererin zu handeln, ob sie mir die Sahne nicht billiger gibt, aber sie antwortet bloß immer: „Sammeln Sie Punkte?“ Ich sammle eine ganze Menge, einzelne Socken, scheußliche Geschenke, die ich aus Pietät nicht wegwerfen mag, bedrucktes Papier in Regalen und sinnlosen Haufen. Sinnlose Haufen sammle ich auch, aber Punkte nicht. Obwohl ich doch dafür grauenhaftes Geschirr zwar nicht umsonst, aber billiger bekäme. Das müsste ich dann auch noch sammeln. Im Keller ist noch viel Platz.

Jetzt wollte mir auch noch ein Kosmetikkonzern eine Kundenkarte aufschwatzen, bei der ich ab sofort „10 % Rabatt auf alles“ bekommen sollte. Auf alles! Sie hatten mich schon beinahe so weich wie Sheabutter gequatscht, da flötete meine persönliche Betreuerin: „Wann haben Sie Geburtstag?“ Und auf mein stutziges Stirnrunzeln hin: „Ich bekomme dann jetzt von Ihnen zehn Euro, und Sie können sich an Ihrem Geburtstag ein Geschenk für zehn Euro aussuchen!“ In der Tat eine interessante Definition von Geburtstagsgeschenk. Das habe ich früher mit meiner Mutter auch immer so gemacht, aber ich war jedenfalls mit ihr verwandt; deshalb hat sie darüber hinweggesehen. Deshalb versucht der Kosmetikkonzern hartnäckig, mich in seine Familie aufzunehmen. Dass sein Name übersetzt „Autowerkstatt“ heißt, hätte mir gleich zu denken geben sollen, denn mit denen habe ich einen ähnlichen Deal: Ich verstecke meine Sommerräder bei ihnen und suche sie zu Ostern wieder raus, wofür ich dann komischerweise Geld bezahlen muss.

Die einzige Kundenkarte, die ich gern habe, ist die des Weinhändlers. Wenn neben mir im Laden so ein Angeber säuselt: „Nähme isch eute mal den Grang Krü oder lieber den Sowienjon?“, zücke ich meine Karte und rufe: „Dasselbe wie beim letzten Mal! Oder davor! Auch egal!“ Denn mein Weinhändler weiß ohnehin alles über mich. Aber das ist eine andere Geschichte.