Knast ist Kult

Hamburger Gefängnis für Langzeithäftlinge „Santa Fu“ vertreibt Produkte, die original made in prison sind. Teil des Erlöses geht an Opferschutz

VON ELKE SPANNER

In Santa Fu gesessen zu haben, muss niemandem mehr peinlich sein. In Hamburg ist es jetzt schick, mit dem Image des Schwerverbrechers zu kokettieren. Insassen der Anstalt II in Fuhlsbüttel haben eine Produktserie mit dem Logo von Santa Fu entworfen, das T-Shirts, Handtücher, Feuerzeuge und Tagebücher ziert – und zwar nicht für den eigenen Hausgebrauch, sondern für den Verkauf jenseits der Anstaltsmauern.

Selbst Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) hat schon ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Santa Fu“ im Schrank. Er kann sich „gut vorstellen“, in seiner Freizeit auch mit dem Schriftzug „noch unschuldig“ auf dem Shirt um die Alster zu joggen – „aber natürlich nur, wenn ich ganz inkognito bin“, sagt er und lacht. Lüdemann ist guter Dinge an dem Tag, an dem er das neue Knast-Label präsentiert. Für ihn ist das Memory-Spiel mit Knastmotiven kein Jux, mit dem man kurzzeitig Geburtstagskinder am Gabentisch erheitert. Er spricht von einem Beitrag zur Resozialisierung der Gefangenen: Eine sinnvolle Beschäftigung hinter Gittern erleichtere den Insassen die Rückkehr in ein straffreies Leben. Je mehr Produkte vertrieben würden, desto mehr Gefangene bekämen im Gefängnis einen Job. Außerdem würden die Insassen durch den Verkauf neue Mittel für den Strafvollzug erschließen, was wiederum den Anstalten und damit den Gefangenen selbst zugute käme. „So stelle ich mir praktische Resozialisierung vor.“

Zwanzig Prozent des Erlöses bekommt die Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“. Nico Z., Santa-Fu-Insasse und Mitarbeiter des neuen Labels, findet das super: „Das ist für uns Gefangene eine kleine Möglichkeit zur Wiedergutmachnung.“ Für seinen Mitgefangenen Thomas W. ist die Spende an den Opferschutzverein der einzige Grund, das Knastlabel überhaupt akzeptabel zu finden. Ansonsten findet er „heikel“, sagt er, wenn Santa Fu-Produkte Mode werden. „Hier einzusitzen, ist nichts, worauf man stolz sein könnte.“

Thomas W. empfindet den Verkauf der Knastprodukte als „eine Form von Verherrlichung“, wie er sagt: „Stellen Sie sich vor, das würde ein US-amerikanisches Gefängnis machen, in dem Gefangene hingerichtet werden. Oder Guantánamo Bay.“ André B., der ebenfalls in der Fuhlsbütteler Anstalt II eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, teilt die Bedenken nicht. Er findet es sinnvoll, den Schriftzug Santa Fu nach außen zu tragen. Im zweiten Weltkrieg, erklärt er, sei in Fuhlsbüttel ein Konzentrationslager gewesen. Wenn die Leute jenseits der Mauern auf Santa Fu aufmerksam gemacht würden, hofft er, „beschäftigen sie sich vielleicht mit der Geschichte des Hauses. Die darf nicht vergessen werden.“

Entwickelt hat die Idee zum Knastlabel ein Mitarbeiter des Strafvollzugsamtes. Der hat bei einem Besuch auf der Reeperbahn ein Shirt mit Aufdruck „Santa Fu“ entdeckt. „Das hatte nur einen Fehler“, erzählt Senator Lüdemann: „Es war nicht made in prison.“ Die neue Produktserie soll auf Dauer nicht nur über das Internet, sondern auch in Läden vertrieben werden. Mit einzelnen Geschäften sei man darüber „schon im Gespräch“.

Beworben wird die neue Produktserie auch vom Fußballteam von Santa Fu. Auch die Trikots der Spieler sind mit dem neuen Logo des Labels bedruckt. Weit verbreiten können sie ihre Werbebotschaft allerdings nicht. Den Kickern sind nur Heimspiele erlaubt.

Die made-in -prison-Kollektion kann im Internet unter www.santa-fu.de besichtigt und erworben werden