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: „dem ball is’ egal, wer ihn tritt“

YVES EIGENRAUCH packt viele rote Karten aus, weil er die Bundesliga-Aktion gegen Rassismus unterstützt

Rassismus und Diskriminierung stellen leider noch immer ein wesentliches Problem im deutschen und europäischen Fußball dar, wobei auch die Problematik Homophobie und Sexismus nicht unerwähnt bleiben darf. Nicht nur Zuschauer lassen sich regelmäßig dazu hinreißen, fremdenfeindliche und Menschen verachtende Parolen in den Stadien zu skandieren – die Ereignisse der letzten Wochen belegen dieses nur allzu eindringlich –, sondern auch Spieler fallen immer wieder durch inakzeptables Verhalten auf. Ein Problem bei der Arbeit gegen Rassismus stellt dabei die Tatsache dar, dass eine tendenzielle Verlagerung der Zwischenfälle zu verzeichnen ist. Da in den Erstliga-Stadien die Überwachungsmaßnahmen und Sanktionen bei Fehlverhalten sich zunehmend ausprägen und somit viele potenzielle „Täter“ von vornherein abschrecken, werden immer häufiger Vorfälle aus unteren Spielklassen angezeigt, ja sogar Jugendspiele werde von Rechtsradikalen genutzt, um ihre Sicht der Dinge teils in plakativer, provozierender Form zu verkünden. Als ein Beispiel sei nur die absurde Choreografie angeführt, mit Hilfe von mehreren Personen auf den Rängen ein Hakenkreuz nachzubilden.

Nach wie vor ist davon auszugehen, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund einer ausgesprochen schwierigen gesellschaftlichen und sozialen Situation perfiden Ideologien besonders leicht erliegen – im Westen wie im Osten Deutschlands. Die Informationsarbeit muss also auf breiter Basis angelegt werden und sollte präventiv wirken können.

War es in den Neunzigerjahren vornehmlich eine Vielzahl von kleinen, lokal oder regional beschränkten, wenig koordinierten und oftmals leider auch wenig beachteten Aktionen, die gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzuklären versuchten, so ist es sicherlich nicht übertrieben, davon zu sprechen, dass mit der Gründung von Fare (Football Against Racism in Europe) ein neues Zeitalter im Kampf gegen Rassismus eingeläutet worden ist. Im Februar 1999 wurde in Wien auf Anregung von Fangruppen aus verschiedenen europäischen Staaten und mit Unterstützung der Europäischen Kommission gegen Diskriminierung unter Teilnahme von mehr als 40 verschiedenen Organisationen – darunter von Fußballverbänden und Spielergewerkschaften – eine Konferenz abgehalten, die zum Ziel hatte, eine gemeinsame Strategie sowie ein Grundsatzprogramm gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu entwickeln. Das Resultat der Konferenz war sowohl die Gründung der Organisation Fare – ein Netzwerk von Gruppen aus 13 europäischen Ländern – als auch die Verfassung eines Aktionsplans. Die Idee, sich mit Hilfe der Plattform Fußball aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung auszusprechen, löste anfangs verhaltene Reaktionen aus. Das überraschte jedoch nicht wirklich, wurde die Thematik doch jahrelang mehr oder minder tabuisiert, die Dringlichkeit eines couragierten Engagements negiert. Umso erfreulicher sind die bisherigen Ergebnisse der kontinuierlichen Arbeit von Fare und dessen Partnerorganisationen: Seit 2001 ist Fare Partner der Uefa und unterstützt die Europäische Fußballunion in allen Fragen zum Thema. Beispielsweise erarbeitete Fare für die Uefa die Grundlage zu einem 10-Punkte-Plan, der nationalen Verbänden, Vereinen und Ligaverbänden, also dem Profibereich, eine praktische Anleitung zur Vermeidung und Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung bietet.

Ein Höhepunkt sind die seit 2001 jährlich in Kooperation mit der Uefa durchgeführten europaweiten Aktionswochen gegen Rassismus und Diskriminierung, die eine riesige Anzahl von Antirassismus-Aktivitäten bündeln.

Eine wahrscheinlich in ihrer Dimension weltweit einzigartige Aktion wird hierbei in diesem Jahr in Deutschland durchgeführt. So werden an diesem Wochenende in der Ersten und Zweiten Bundesliga sowie den beiden Regionalligen insgesamt 750.000 rote Karten mit dem Slogan „Zeig Rassismus die Rote Karte“ verteilt und von Spielern und Fans unmittelbar vor Spielbeginn als deutliches Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung hochgehalten.

Die Idee zu dieser Aktion stammt von dem vereinsübergreifend arbeitenden antirassistischen Jugendbildungsprojekt „dem ball is’ egal, wer ihn tritt“, das bereits während der Fußball-Weltmeisterschaft im Auftrag des Organisationskomitees der WM alle Antirassismus-Aktivitäten organisiert, koordiniert und zum Teil auch selbst durchgeführt hat. Besonderer Aspekt heute: Erstmals beteiligen sich der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball Liga in großem Rahmen an der inzwischen siebten Aktionswoche gegen Rassismus und Diskriminierung. Somit trägt der deutsche Fußball wesentlich dazu bei, Fans und Aktive, aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen für das Thema zu sensibilisieren und unterstreicht gleichermaßen seine Entschlossenheit, aktiv und unnachgiebig gegen Rassismus und Diskriminierung vorzugehen.

Es kann nur einen Aufruf geben: Zeig Rassismus die rote Karte! Immer und überall!