Kürzungsvirus

Wie viel Geld für UN-Aidsfonds? Etatstreit zwischen Ministerin Wieczorek-Zeul und Haushaltspolitikern berührt Grundsätze der Entwicklungspolitik

von DOMINIC JOHNSON

Wie ernst meint Deutschland seine regelmäßigen Bekenntnisse zu einer Stärkung der Vereinten Nationen? Diese Grundsatzfrage stellt sich, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages am Donnerstagabend eine deutliche Kürzung der Beiträge zum UN-System aus dem Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) gegenüber dem bisherigen Haushaltsentwurf für 2007 beschlossen hat. Statt 224,349 Millionen Euro, wie sie der Entwurf vom Juli vorsah, soll dieser Bereich der Entwicklungszusammenarbeit jetzt nur noch 184,349 Millionen bekommen – kaum mehr als 2006 und deutlich weniger als 2005.

Besonders heikel ist die Kürzung um 40 Millionen Euro, die gemeinsam von Union, SPD, FDP und Grünen beschlossen wurde, wegen der darin enthaltenen Festlegung, dass 10 Millionen Euro davon aus den Zuwendungen für den Globalen Aidsfonds der UNO kommen sollen. Sie sollen in bilaterale Programme umgeschichtet werden. Der „Globale Fonds für die Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria“, zentrales Element der internationalen Gesundheitspolitik, erhielt dieses Jahr von Deutschland 72 Millionen Euro; 2007 sollte der Beitrag auf 92 Millionen steigen. Daraus werden jetzt nach dem Willen der Haushaltspolitiker nur 82 Millionen.

„Damit würde Deutschland zum europäischen Schlusslicht“, kritisiert das deutsche „Aktionsbündnis gegen Aids“ und weist darauf hin, dass Frankreich dieses Jahr den Fonds mit 300 Millionen Euro unterstützt und Großbritannien mit 150 Millionen.

„Es wird keine Kürzung geben!“, sagte hingegen Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul auf taz-Anfrage – und erklärte, sie lehne den Beschluss des Ausschusses ab: „Ich werde dafür kämpfen, dass es bei dem vorgesehenen Betrag bleibt. Ich gehe davon aus, dass das die Position der Koalition sein wird.“ Die SPD sei jedenfalls „auf meiner Seite“, so die SPD-Ministerin weiter.

Damit stehen harte Verhandlungen innerhalb der großen Koalition bevor, denn es waren die Haushaltspolitiker von CDU/CSU und SPD, die im September ursprünglich die Kürzung samt Festlegung auf den Globalen Fonds in den Ausschuss einbrachten. Entwicklungspolitiker freuen sich auf die Auseinandersetzung. „Wir werden die Ministerin unterstützen“, erklärt der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe im Gespräch mit der taz.

Hintergrund des Streits ist ein alter Dissens: Soll deutsche Entwicklungshilfe vor allem bilateral erfolgen – also in direkten Verhandlungen zwischen Empfängern und dem Geberland Deutschland – oder stärker über multilaterale Strukturen, also internationale Organisationen und Fonds, in die Geber ohne direkte Zweckbindung einzahlen?

Der multilaterale Ansatz vermeidet unkoordiniertes Nebeneinander zwischen rivalisierenden Geberländern und wird auf internationaler Ebene immer beliebter. Doch seit 1993 existiert eine Festlegung des Haushaltsausschusses im Bundestag, wonach von Entwicklungshilfe höchstens ein Drittel multilateral verwendet werden kann; der Rest läuft bilateral.

Man könnte natürlich die Beschlusslage von 1993 verändern, um sich der neuen Realität anzupassen: Globalen Aidsfonds, Internationalen Nothilfefonds der UNO, internationale „Trust Funds“ für regionale Wiederaufbauprogramme in Bürgerkriegsländern – all das gab es damals schließlich nicht. Das fordern viele Entwicklungspolitiker.

Doch kein Fachpolitiker traut sich derzeit, dieses Fass aufzumachen. Experten verweisen darauf, dass die zuständigen Haushaltspolitiker sämtlich im Aufsichtsrat der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sitzen, dem wichtigsten Ausführungsorgan bilateraler deutscher Entwicklungszusammenarbeit, und daher multilaterale Konkurrenz ablehnen.

Wie aus dem Bundestag zu hören ist, ging dem jüngsten Beschluss Streit vor allem innerhalb der SPD voraus. „Wieczorek-Zeul hat sich beschwert, dass alles bei der UNO landen soll“, erzählt ein Abgeordneter. Bei einer Sitzung am Dienstagabend sei daher beschlossen worden, die Kürzung der multilateralen Mittel aufzuteilen: Nur noch 25 der 40 Millionen entfallen auf die UNO – darunter eben jene 10 Millionen vom Globalen Aidsfonds. Für den Rest kommen laut Ministerium drei Programme in Frage: das UN-Entwicklungsprogramm UNDP, das UN-Wüstensekretariat und der Doha Trust Fund der Welthandelsorganisation, der Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Freihandels hilft.

Die anderen 15 der 40 Millionen Euro werden nun allerdings vom internationalen Umweltfonds Global Environmental Facility (GEF) abgezogen – einer Einrichtung von UNO und Weltbank, die Umweltschutz in armen Ländern finanzieren soll. Der GEF ist für die internationale Umweltpolitik ebenso wichtig wie der Aidsfonds für die internationale Gesundheitspolitik. Dieser Beschluss stieß auf den Protest der Grünen, die ihn aber im Haushaltsausschuss nicht verhindern konnten.

Bis zum 9. November, wenn in der sogenannten Bereinigungssitzung des Ausschusses der Entwicklungsetat endgültig vor dem Einbringen in den Bundestag festgeklopft wird, ist nun noch Zeit, die Kürzung des Aidsfonds aufzuhalten. Insgesamt steigt der BMZ-Etat im kommenden Jahr um 4,8 Prozent, und nach Angaben von Ministerin Wieczorek-Zeul wird dabei auch die von ihr bei der Weltaidskonferenz in Toronto am 12. August gemachte Zusage eingelöst, die deutschen Mittel zur Aidsbekämpfung insgesamt um 100 Millionen Euro zu erhöhen – von 300 auf 400 Millionen. Aids-Aktivisten erkennen bislang lediglich Erhöhungen von 10 Millionen Euro.