HAMBURGER SZENE VON KATHARINA GIPP: Sieben Rippen
„Boah!“, ruft das Mädchen, blond und vielleicht zwölf Jahre alt, durch die U 3. „Weißt du noch, als der Schulbus so doll gebremst hat, dass ich fast von meinem Sitz gefallen bin?“ – „Ja“, antwortet ihre Freundin, „was da alles hätte passieren können! Und wer weiß, wo du da gelandet wärst!“
Das erste Mädchen überlegt: „Beim Arzt, oder vielleicht im Krankenhaus?“ Ernst entgegnet die Freundin: „Oder auf dem Friedhof.“ Das gibt der ersten zu denken. „So schnell geht das nicht, oder? Da müsste ich mir ja alle Knochen brechen – und 20 Rippen auf der linken Seite!“
„20 Rippen?“, hakt ihre Freundin nach. „So viele Rippen hat ein Mensch doch gar nicht!“ – „Ach nein? Wie viele hat er dann?“, will die Blonde wissen. „Sieben!“, ruft ihre Freundin triumphierend. „Ach Quatsch!“, antwortet die Erste. „Giraffen haben sieben Rippen! Und Delfine auch!“
Die U-Bahn hält an, die beiden steigen aus. An ihre Stelle setzen sich vier Checker. Einer hat ein iPhone und offenbar eine neue Flamme mit nymphomanen Zügen. Die anderen sind vielleicht neidisch, jedenfalls lachen sie dümmlich.
„Sie kann einfach nur nicht ‚Nein‘ sagen“, versucht der mit dem iPhone die Sache herunter zu spielen. „Außerdem sieht sie, wenn ich neben ihr aufwache, so scheiße aus, dass ich ihr am liebsten eine reinhauen würde!“
Habe ich diesen Gang der Dinge bestellt? Nein. Ich will die Giraffen wiederhaben. Und die Delfine.
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