Party im Pyjama

TENNIS Das deutsche Frauenteam gewinnt in Australien 3:1 und zieht ins Fed-Cup-Finale ein – zum ersten Mal seit 22 Jahren

Dieses Gefühl für das Miteinander, so viel steht fest, ist in den perfekten Spätsommertagen in Brisbane weitergewachsen

AUS BRISBANE DORIS HENKEL

Als sie Montagmittag in Frankfurt landeten, war alles schon genau geplant. Auf direktem Weg nach Stuttgart zum Porsche Grand Prix, wo sie in dieser Woche spielen werden, möglichst schnell zur Ruhe kommen, schnell wieder in den deutschen Rhythmus finden nach der Woche in Australien. Kaum Zeit, um in den Erinnerungen zu schwelgen, doch die Bilder vom Sieg sind trotzdem für immer gespeichert. Vom Moment, in dem Angelique Kerber das Spiel gegen Sam Stosur mit einem Ass beendet und damit den entscheidenden Punkt zum 3:1-Erfolg gewonnen hatte, vom Freudenkreis in der Arena, vom schrägen Gesang in der Kabine. Und später von dem Moment, als sie in Pyjamas an der Bar des A380 von Brisbane nach Dubai mit Wodka-Lemon angestoßen hatten.

Die Schlafanzüge waren das Gastgeschenk der Australierinnen vom Abend des offiziellen Dinners beider Mannschaften, verpackt in rosa Kartons, verschnürt mit einer schönen Schleife. Spontan hatten Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Julia Görges, Anna-Lena Grönefeld und Bundestrainerin Barbara Rittner an jenem Abend beschlossen, die karierten Flanellhosen im Falle eines Sieges im Flieger zu tragen. Aber das Geschenk, das die deutsche Mannschaft aus Australien mitbrachte, ist größer als der größte vorstellbare Geschenkkarton.

In einer kleinen Ansprache auf Zimmer 1001 hatte Barbara Rittner am Abend vor dem Beginn der Begegnung im Halbfinale gesagt, egal, wie das Wochenende ausgehe, das Team habe sich längst bewährt. „Wir haben auf jeden Fall einen Schritt gemacht – die Frage ist nur, ob es ein kleiner oder ein großer ist.“ Einen Moment lang war es ruhig im Kreis der Spielerinnen und des gesamtem Teams gewesen, dann hatte Angelique Kerber als Erste reagiert. „Ein großer Schritt“, sagte sie entschlossen – und alle stimmten ein. Es war wie ein Versprechen.

In den vergangenen Jahren hatte Barbara Rittner immer wieder gesagt, sie habe eine tolle Truppe beieinander, der man alles zutrauen könne. Die Ergebnisse schienen nicht immer zu dieser These zu passen; immer wieder folgte dem Aufstieg in die Weltgruppe in einem Jahr im nächsten der Abstieg. „Ich weiß“,sagt Rittner jetzt, „dass sich manche Leute gefragt haben: Wovon träumt die nachts?“ Es dauerte nur ein bisschen. Angelique Kerber zeigte mit zwei Siegen unter Druck, dass sie mit der Verantwortung als Führungsspielerin inzwischen umgehen kann. Petkovic stand ihr in nichts nach; sie schaffte es, das Hochgefühl nach dem Turniersieg in Charleston ins Gepäck für Australien zu packen. Die ganze Mannschaft profitierte von diesem Hochgefühl, und unter den vielen Liedern und Geräuschen dieses Wochenendes bleibt vor allem eines in Erinnerung: ihr „come on“ nach dem Sieg gegen Sam Stosur im Tunnel auf dem Weg zu den Kabinen. Es war ein Schrei, der Trommelfelle erschütterte und die Wände der Pat Rafter Arena wackeln ließ.

Nun werden sie also am 8. und 9. November gegen Tschechien im Finale spielen, gegen die dominierende Mannschaft der vergangenen Jahre, es wird wie in der ersten Runde gegen die Slowakei und diesmal gegen Australien ein Auswärtsspiel sein. Barbara Rittner gehörte zu jener deutschen Mannschaft, die im Juli 1992 in Frankfurt den Titel gewann, die angeführt wurde von Steffi Graf und Anke Huber. Graf rief Rittner aus dem Osterurlaub an, wünschte alles Gute und sagte: „Haut sie weg. Wenn es eine Mannschaft verdient hat, ins Finale zu kommen, dann seid ihr das.“

Sie meinte damit vor allem, dass keine der deutschen Spielerinnen gezögert hatte, den anstrengenden Trip nach Australien in den vollen Turnierkalender einzubauen. Eine Entscheidung ohne Rücksicht auf Verluste, sozusagen. Dieses Gefühl für das Miteinander, so viel steht fest, ist in den perfekten Spätsommertagen in Brisbane weitergewachsen. Sie halten nicht den ganzen Tag Händchen – dazu sind sie viel zu unterschiedlich. Aber wenn es darauf ankommt, weiß die eine, dass sie sich auf die andere verlassen kann.