Hundemüde aus der Kabine gekommen

Trotz Müdigkeitsattacke nach der Halbzeitpause und wie immer harmlosen Stürmern gewinnt der FC Schalke gegen Hannover 96. Mit dieser speziellen Form der Teilzeitarbeit will der Traditionsclub aus dem Ruhrgebiet jetzt sogar Deutscher Fußballmeister werden: „Die Bayern machen das genauso“

„So muss man immer Punkte holen, dann werden wir wahr-scheinlich Meister“

AUF SCHALKE ANDREAS MORBACH

Am Samstagabend wurden beim FC Schalke 04 Vorschläge zur künftigen Halbzeitpausengestaltung gesammelt. Für die geistige Kollekte gab es einen aktuellen Anlass, hatten die Fußballer aus dem Revier bei ihrem 2:1-Erfolg über Hannover 96 doch wieder einmal eine ihrer schlechtesten Angewohnheiten gepflegt: Zum Wiederanpfiff legten sie ihr traditionelles Nickerchen ein, die Gäste kamen so zu ihrem raschen wie ansehnlichen Anschlusstor durch Jan Rosenthal und Zlatan Bajramovic auf einen vernünftigen Vorschlag: „Vielleicht“, überlegte Schalkes Bosnier, „sollten wir uns demnächst in der Kabine einfach 15 Minuten lang hinlegen.“

Ein Schläfchen während statt nach der Pause – sein Trainer ist damit womöglich sogar einverstanden. Wirkliche Alternativen zum gemeinsamen Entspannungsviertelstündchen hat Mirko Slomka zurzeit jedenfalls nicht zu bieten. „Wir machen mittlerweile immer etwas anderes in der Halbzeit, aber das hilft uns auch nicht weiter“, seufzte der Schalker Coach. Indes verriet Bajramovic, dass Slomka mit seinen Motivationskünsten offensichtlich schon in einer Sackgasse steckt: „Eigentlich haben wir diesmal gar nichts Besonderes gemacht.“

Besonderes erlebte die blau-weiße Fangemeinde nur in der ersten Halbzeit. Zum einen, als Bajramovic nach 17 Minuten erst den späteren Torschützen Rosenthal und dann 96-Keeper Robert Enke veräppelte. Den ungewöhnlichen Außenristschuss ins kurze Eck kommentierte er später: „Normalerweise schießt man in so einer Situation long line. Aber das war schon so geplant.“ Und zum zweiten, als Lewan Kobiaschwili zehn Minuten später einen doppelten Hackentrick durch Kevin Kuranyi und Lincoln im gegnerischen Strafraum mit der Brust annahm und das Gesamtkunstwerk gleich darauf vollendete. „Schöner“, applaudierte Trainer Slomka, „kann man ein Tor nicht erzielen – und auch nicht vorbereiten.“

„Bei Lincoln rechnet man ja immer mit so etwas“, kommentierte Kobiaschwili das gekonnte Vorspiel zu seinem ersten Saisontreffer. Was zugleich heißen sollte: bei dem Kollegen Kuranyi eher nicht. Gegen Hannover nutzte der Angreifer auf Formsuche die dilettantische erste Hälfte der Gäste zu einem forschen Solo, das allerdings nicht mit einem Tritt gegen, sondern neben den Ball endete. Außer dem Luftloch setzte der 24-Jährige einen Flugkopfball aus vier Metern Entfernung über das Tor – es war die einzige Torchance des Spiels, die nicht zu einem Treffer führte. Zehn Minuten später wurde Kuranyi dann ausgewechselt, begleitet von einem gemisch aus Pfiffen und erleichtertem Klatschen des Schalker Publikums. „Unsere Mittelfeldspieler sind im Moment extrem gefährlich – was man von unserem Stürmern nicht gerade sagen kann“, fiel Mirko Slomka zum dürftigen Auftritt des Angriffs-Duos Kuranyi und Halil Altintop ein, gleichzeitig kündigte er jedoch an: „Wir werden an beiden festhalten.“

Sehr gerne festhalten wollen die Schalker, die gegen Hannover unter anderem auf ihren grippekranken Kapitän Marcelo Bordon verzichten mussten, auch an ihrer Tabellenposition. Trotz Sturmflaute und Gewohnheitshänger nach der Pause haben sie drei Tage vor ihrem Pokalspiel beim 1. FC Köln den Sprung vom dritten auf den zweiten Platz geschafft – mit drei Punkten Vorsprung auf Bayern München. „Das ist ein gutes Gefühl, wenn man da oben steht“, sagt Trainer Slomka – und das gute Fußballspielen überlassen sie bei solch einem Ausblick gerne den anderen.

“Das gehört dazu, dass man schlecht spielt und trotzdem gewinnt. Bayern München macht das auch öfters“, dozierte Zlatan Bajramovic. Und Ersatz-Kapitän Lincoln erklärte lapidar: „Wenn wir jedes Mal ein Tor kassieren und auf der anderen Seite zwei schießen, bin ich zufrieden. So muss man immer Punkte holen, denn dann werden wir wahrscheinlich Meister.“

Definitiv auf Abstiegskampf eingestellt ist dagegen Dieter Hecking. „Bei den beiden Gegentoren haben wir nur Pate gestanden“, meuterte Hannovers Trainer, der inzwischen eine ähnliche Phobie gegen Nickerchen entwickelt hat wie sein alter Kumpel Mirko Slomka in Gelsenkirchen. „Meine Mannschaft“, fordert Hecking deshalb nun, „muss anfangen, nicht nur Teilzeit, sondern richtig zu arbeiten.“ Oder erfolgreicher Teilzeit zu arbeiten. So wie die Schalker.